26.01.2021 von Milena Riedl, Dr. Sahbi Aloui

Überwachung elastomerer Werkstoffe in der Anwendung zur Ermittlung der Materialversagensgrenze

Das geforderte mechanische und dielektrische Eigenschaftsprofil von Elastomerwerkstoffen wird durch die Auswahl des geeigneten Polymers, Füllstoffs und der Additive für den Anwendungsbereich erreicht. Während ihrer Lebensdauer unterliegen elastomere Werkstoffe in Reifen-, Dichtungs- und Automobilanwendungen einer ständigen Veränderung. Lesen Sie mehr über die Möglichkeit zur Überwachung der mechanischen Eigenschaften von Elastomerwerkstoffe während der Anwendung.

Anwendungen, sogenannte Applikationen, die generell den Einsatz Elastomerer Werkstoffe erfordern, gibt es in großer Anzahl.

Türdichtungen im Automobilbau, sogenannte Gummilippen, die Wassereintritt bei Regen und Schnee, aber auch Windgeräusche verhindern sollen, Scheibenwischerblätter, Schlauchsysteme oder einfache Dichtungen (O-Dichtungsringe), aber auch Schwingungstilger bzw. Dämpfer und natürlich Reifen, um nur einige Anwendungen zu nennen, verdeutlichen das große Spektrum der Einsatzbereiche. Damit wird aber auch klar, dass die statischen und dynamischen mechanischen Anforderungen an Elastomere, genauso wie die geforderten Temperatureinsatzbereiche, unterschiedlicher kaum sein können.

Es hilft alles nichts:

Eine geschickte Wahl eines geeigneten Polymersystems, der am besten geeigneten Füllstoffe und der entsprechenden Additive stehen am Anfang der Entwicklung. Ist es endlich gelungen, ein maßgeschneidertes System für die jeweilige Anwendung zu entwickeln und zur Serienreife zu bringen, sind nun andere Aspekte von großer Bedeutung:

Ein wesentlicher Gesichtspunkt ist die „Lebensdauer der Applikation“ in ihrer jeweiligen Anwendungsumgebung. Elastomerwerkstoffe in Reifen, Dichtungen und Automobilanwendungen sind ständigen Änderungen durch komplexe mechanische Belastungen und variablen Umwelteinflüssen ausgesetzt. Bedauerlicherweise beginnt das Material Anzeichen von Ermüdung, thermischer Alterung und Verschleiß zu zeigen. Dies führt unweigerlich zum Versagen der eingebauten Produkte. Bevor jedoch ein Totalversagen eintritt, wird zunächst eine Verschlechterung der „Performance“ die Folge sein. Derartige Verschleißerscheinungen sind auf Veränderungen der inneren Materialstruktur zurückzuführen. Eine kostengünstige Möglichkeit, die mechanischen Eigenschaften elastomerer Werkstoffe während der Anwendung zu überwachen, um die Änderungen des Eigenschaftsprofils zu identifizieren, wird in der Forschungsarbeit “Simultane Charakterisierung dielektrischer und dynamisch-mechanischer Eigenschaften elastomerer Werkstoffe unter statischer und dynamischer Belastung“ diskutiert! hier geht es zum Link!

Ein “Wegweiser” für die Analyse der Mikrostruktur ist bereits mittels DEA gegeben

Nehmen wir an, ein Dichtungssystem wird mit der erforderlichen statischen Einbaubedingung (z.B. Vorstauchung um 30 %) verbaut, laufen im Werkstoff sofort Relaxationsprozesse ab. Die Rückstellkraft der Dichtung fällt naturgemäß ab. Im Idealfall so, wie bei der Entwicklung der Anwendung geplant.

Führen thermische und mechanische Alterungsprozesse zu einem weiteren Abfall der Rückstellkraft, ist ein Versagen der Dichtung vorhersehbar. Wäre diese Kraftänderung messbar, ließe sich die Dichtung rechtzeitig austauschen und ein „Systemversagen“ vermeiden.

Nur, wie kann ein derartiger Prozess in der Anwendung festgestellt werden?  Kraftmessungen sind in der Anwendung in der Regel nicht möglich. Hier hilft die dielektrische Analyse weiter! In der Regel dienen Füllstoffe in Elastomeren Werkstoffen als mechanische Verstärker. Im Fall von Ruß als Füllstoff handelt es sich oft um eine elektrisch leitfähige Komponente. Der Ruß kann nun als „Wegweiser”, als „Marker“ für eine charakteristische „Momentaufnahme“ herangezogen werden.  Er überwacht und “meldet” kontinuierlich den aktuellen mechanischen Zustand des Elastomerwerkstoffs [1]. Dazu werden seine dielektrischen Eigenschaften genutzt und mit einem DEA-Analysator abgefragt. Die mechanischen Lastbereiche werden mit einer Hochlast-DMA variiert.

Änderung des Füllstoffnetzwerks aufgrund mechanischer Schädigung

Die dielektrische Analyse ist ein sehr effektives Werkzeug, um Erkenntnisse über die innere Strukturdynamik von Materie zu gewinnen. Die dynamisch-mechanische Analyse reflektiert eher das makroskopische Verhalten von Materialien. Die simultane dynamisch-mechanische Analyse und dielektrische Messungen vereinen diese Vorteile, um einen Beziehung zwischen dem mechanischen Zustand und der „Momentaufnahme“ des dielektrischen Spektrums des Materials herzustellen [1]. Der durch DMA aufgezeichnete Speichermodul steht in direktem Zusammenhang mit der mittels DEA aufgezeichneten dielektrischen Leitfähigkeit. Fällt der Elastizitätsmodul durch verschleißbedingte Schädigungen ab, ändert sich auch die dielektrische Leitfähigkeit. Beide „Größen“ sind also miteinander korreliert. Anhand der Änderung der dielektrischen Leitfähigkeit lassen sich Rückschlüsse bezüglich des Elastizitätsmoduls und im Falle der angesprochenen Dichtung auf deren Rückstellkraft ziehen.

Abbildung 1: DiPLEXOR®® 500 N für simultane dynamisch-mechanisch und dielektrische Analyse auf der linken und Probenhalter für rheologische Messungen im Kompressionsmodus auf der rechten Seite

Die Autoren der Forschungsarbeit “Simultane Charakterisierung der dielektrischen und dynamisch-mechanischen Eigenschaften unter statischer und dynamischer Belastung”, veröffentlicht in der interdisziplinären Fachzeitschrift Polymer von Elsevier, untersuchen strukturelle Änderungen im Füllstoffnetzwerk aufgrund unterschiedlicher statischer und dynamischer Belastungen in Echtzeit. Das vollständige Paper ist bis zum 8. März 2021 kostenlos erhältlich!

Hier geht‘s zum Paper!

Für weitere Rückfragen stehen Ihnen Dr. Horst Deckmann und Dr. Sahbi Aloui gerne zur Verfügung.  

Mehr Flexibilität mit dem NETZSCH DiPLEXOR®® 500 N

Die simultanen dynamisch-mechanischen und dielektrischen Messungen an RußTemperatur und Atmosphäre (Spülgas) beeinflussen die Ergebnisse der Massenänderung. Durch Änderung des Atmosphärenspülgases von Stickstoff auf synthetische Luft während der TG-Messung werden die Auftrennung und Quantifizierung von Additiven, z.B. Ruß, und des Bulk-Polymers realisiert.rußgefüllten SBR-Proben wurde mit dem dynamisch-mechanischen und dielektrischen Analysator NETZSCH DiPLEXOR®® 500 N (Abbildung 1), einer Weiterentwicklung der DMA GABO Eplexor®®-Systeme, durchgeführt. Hauptmerkmal dieser Systeme sind die separate Erzeugung statischer und dynamischer Lasten in Verbindung mit den unabhängigen Einstellungen. Das macht das System komplexer und bietet gleichzeitig eine größere Flexibilität. Zusätzlich erlaubt das modulare Design die Anpassung der Empfindlichkeit an Probengröße und -steifigkeit

Quelle

[1]  Sahbi Aloui, Andrej Lang, Horst Deckmann, Manfred Klüppel, Ulrich Giese, Simultaneous characterization of dielectric and dynamic-mechanical properties of elastomeric materials under static and dynamic load, Polymer, Volume 215, 2021, 123413, ISSN 0032-3861, https://doi.org/10.1016/j.polymer.2021.123413. (http://www.sciencedirect.com/science/article/pii/S0032386121000367)