Kristallisation eines hochleistungsfähigen, teilkristallinen Polymers: PEEK

Einleitung

Im geschmolzenen Zustand befinden sich die Polymerketten eines teilkristallinen Polymers in einem ungeordneten Zustand. Während der Abkühlung ordnen sich einige Polymerketten neu, bilden geordnete Bereiche und kristallieren. Neben dieser kristallinen Phase enthält ein teilkristallines Polymer auch eine amorphe Phase ohne geordnete Molekularstruktur (siehe Abb. 1). Beim Abkühlen kristallisiert diese Phase nicht aus, sondern geht von einem weichen in einen harten, spröden Zustand über. Dieser Übergang wird als Glasübergang bezeichnet.

KristallisationAls Kristallisation bezeichnet man den physikalischen Vorgang der Verhärtung bei der Bildung und beim Wachstum von Kristallen. Bei diesem Prozess wird Kristallisationswärme frei.Kristallisation und Glasübergang von Polymeren lassen sich mit unterschiedlichen Methoden charakterisieren und liefern eine Vielzahl an Informationen. 

Eine typische Methode thermische Übergänge zu analysieren, ist die dynamische Differenz-Kalorimetrie (DSC). Sie liefert Informationen über den Glasübergang, Phasenumwandlungen wie KristallisationAls Kristallisation bezeichnet man den physikalischen Vorgang der Verhärtung bei der Bildung und beim Wachstum von Kristallen. Bei diesem Prozess wird Kristallisationswärme frei.Kristallisation/Schmelzen oder fest-fest-Phasenübergänge und Kristallinitätsgrad usw. Die Anwenderfreundlichkeit und die Möglichkeit zur Automatisierung von Messchritten, wie von NETZSCH entwickelt, haben es zu einem beliebten und weit verbreiteten Verfahren gemacht. 

Kristallisation und Glasübergang haben erheblichen Einfluss auf die Viskosität und damit auch auf die mechanischen Eigenschaften eines Produkts. Eine weitere Methode zur Bestimmung dieser Parameter bietet daher die Rheologie. Eine Messung mittels Rotationsrheometer liefert Informationen über die rheologischen Änderungen, die bei der Abkühlung eines teilkristallinen Polymers aus der Schmelze in den glasartigen Zustand auftreten.

1) Ein teilkristallines Polymer besteht aus einer ungeordenten, amorphen Phase und einem geordneten, kristallinen Bereich.
2) Chemische Struktur von PEEK (Polyetheretherketon); Quelle: polysciences.com

Messparameter

Die PEEK-Probe wurde über die Schmelztemperaturen und SchmelzenthalpienDie Schmelzenthalpie einer Substanz, auch bekannt als latente Wärme, stellt ein Maß der Energiezufuhr dar, typischerweise Wärme, welche notwendig ist, um eine Substanz vom festen in den flüssigen Zustand zu überführen. Der Schmelzpunkt einer Substanz ist die Temperatur, bei der die Substanz von einem festen (kristallinen) in den flüssigen Zustand (isotrope Schmelze) übergeht.Schmelztemperatur aufgeheizt. Nach einer isothermen Phase wurde das Polymer mit einer geregelten Abkühlrate abgekühlt. Es wurden die Standardabkühlraten der jeweiligen Methode angewandt, d.h., 10 K/min für die DSC 300 Caliris® und 2 K/min für das Rotationsrheometer Kinexus. In Tabelle 2 sind die Messbedingungen zusammengefasst.

Tabelle 1: Messparameter

GerätDSC 300 Caliris®Kinexus HTC Prime
TiegelConcavus® (Aluminium)-
Probeneinwaage9,80 mg-
Temperaturprogramm370 °C bis 30 °C400 °C bis 40 °C
Abkühlrate10 K/min2 K/min
AtmosphäreStickstoff (40 ml/min)Stickstoff (1 l/min)
Geometrie-PP8 (Platte-Platte, Durchmesser: 8 mm)
Messspalt-1 mm
Scherverformung-innerhalb des linear-viskoelastischen Bereich (LVB)
Frequenz-1 Hz

DSC 300 Caliris®: Kristallisationsverhalten

Abbildung 3 zeigt die Messkurve der DSC-Messung an PEEK während des Kühlsegments. Der bei 305 °C (Endset-Temperatur) einsetzende exotherme Peak ist auf die Kristallisation von PEEK zurückzuführen. Die Stufe bei einer Midpoint-Temperatur von 146 °C stellt den Glasübergang dar.

3) Abkühlkurve der DSC-Messung an PEEK von 350 °C auf Raumtemperatur

Rotationsrheometer Kinexus: Steifigkeit

In Abbildungen 4 und 5 sind die typischen Kurven, die sich aus dem an PEEK durchgeführten Temperatursweep ergeben, dargestellt.

4) Komplexe Scherviskosität von PEEK während der Abkühlung
5) Elastischer (rot) und viskoser (blau) Schubmodul, Phasenwinkel (grün) von PEEK während der Abkühlung

Der Schmelzzustand

Vorausgesetzt, dass keine Reaktion auftritt, steigt die komplexe Scherviskosität mit abnehmender Temperatur an (Abbildung 4). Dies ist der erwartete Einfluss der Temperatur auf die Steifigkeit, wenn kein physikalischer oder chemischer Prozess stattfindet, da die Mobilität der Polymerketten während der Aufheizung zunimmt. 

Der Schmelzzustand ist auch durch die Dominanz von G” über G´ gekennzeichnet (Abbildung 5). Das heißt, die "flüssigkeitsähnlichen" Eigenschaften haben mehr Einfluss auf das Deformationsverhalten von PEEK als die "feststoffähnlichen" Eigenschaften. Das Polymer fließt für die Zeitskala der angewandten Frequenz, auch wenn es immer noch starke elastische Eigenschaften aufweist (der Wert des Phasenwinkels ist näher bei 45° als 90°).

Auftreten von Kristallisation

Bei 325 °C steigt die komplexe Scherviskositätskurve von 7,7E+03 Pa∙s bei 325 °C auf 9,0E+06 Pa∙s bei 295 °C an (Abbildung 4). Ein Anstieg um mehr als 3 Dekaden in nur 30 °C! Dieser signifikante Anstieg ist typisch für die Kristallisation eines kristallinen oder teilkristallinen Polymers. 

Der Prozess wirkt sich auch beträchtlich auf den elastischen (G') und viskosen (G") Schubmodul aus (Abbildung 5). Beide Kurven steigen während der Abkühlung an und zeigen einen Übergang bei 308 °C. Die amorphe Phase befindet sich in einem gummiartigen Zustand, der durch das Plateau zwischen Kristallisation und Glasübergang angezeigt wird. Die zur amorphen Phase gehöhrenden Polymerketten können sich noch frei bewegen, während die kristalline Phase dem Produkt eine starre Struktur verleiht. 

Je höher der Kristallinitätsgrad, desto höher ist der Wert des elastischen Schubmoduls. Der Phasenwinkel liegt bei 2° bis 3°, so dass sich das Polymer nun einem perfekten elastischen Festkörper annähert.

Glasübergang 

Der Glasübergang wird beim weiteren Abkühlen erreicht. Die Steifigkeit steigt weiter an, jedoch nicht so signifikant wie während der Kristallisation (3,0E+07 Pa∙s bei 200 °C bis 1,6E+08 Pa∙s bei 140 °C (Abbildung 4). 

Während die Glasumwandlungstemperatur in der Regel anhand der Peaktemperatur ausgewertet wird, die typisch für die Kurven von G" und δ (Abbildung 5) ist, ist die Abkühlung unterhalb des Glasübergangs mit einem Anstieg der G'-Kurve verbunden. Bei Temperaturen unterhalb der Glasumwandlungstemperatur nimmt der Phasenwinkel wieder zu und ist nahe 0. Das Polymer befindet sich in einem glasartigen, steifen Zustand.

Fazit

Dieses Applikationsbeispiel zeigt, wie sich die Methoden DSC und Rotationsrheologie ergänzen. Beide Methoden liefern unterschiedliche Informationen, die die Kristallisation und den Glasübergang von teilkristallinen Polymeren beschreiben und so einen umfassenden Einblick in das Materialverhalten während des Aufheizens und Abkühlens geben. Die typischen detektierten Effekte sind in Tabelle 2a und 2b zusammengefasst.

Tabelle 2a: Typische Effekte während der Kristallisation und des Glasübergangs eines teilkristallinen Polymers, gemessen mit der DSC 300

 Typischer EffektAuswertung des EffektsInformation
KristallisationExothermer PeakEndsetBeginn der Kristallisation1
PeakmaximumKristallisationstemperatur
Peakenthalpiebezogen auf den Kristallinitätsgrad (normal: Auswertung während der Aufheizung)
GlasübergangWärmekapazitätsstufeOnset/EndsetBeginn/Ende2 Glasübergang
MidpointGlasumwandlungstemperatur2
HöheAmorpher Anteil

1 gemäß DIN ISO 11357-5:2014
2 gemäß DIN ISO 11357-2:2014

Tabelle 2b: Typische Effekte, gemessen während der Kristallisation und des Glasübergangs eines teilkristallinen Polymers mit dem Rotationsrheometer Kinexus

Gemessene KurveKomplexe ScherviskositätElastischer Schubmodul G'Viskoser Schubmodul G"Phasenwinkel δ
Vor der Kristallisation (Schmelzzustand)

Temperaturabhängigkeit der Steifigkeit im flüssigen Zustand.

Kein Effekt

G' < G" Die "flüssigkeitsähnlichen" Eigenschaften dominieren, das Polymer fließt

>45°: Je kleiner der Wert, desto elastischer ist das geschmolzene Polymer.
Kristallisationsvorgang

Starker Anstieg (mehr als 3 mal aufgrund Tg).

Kristallisationsbeginn/ende

Anstieg

Abnahme von δ > 45° bis δ < 45°
KristallisationstemperaturMidpoint

Übergang G'/G"

δ = 45°
Zwischen Tc und Tg; gummiartiges Plateau

Temperaturabhängigkeit der Steifigkeit im gummiartigen Plateau.

Kein Effekt.

G' > G"

Die "festkörperähnlichen" Eigenschaften dominieren, die kristalline Phase verleiht dem Polymer eine Struktur, kein Fließen.

δ < 45°

Je niedriger δ, desto steifer ist die Probe

GlasübergangAnstiegAnstiegPeak: GlasumwandlungstemperaturPeak: Glasumwandlungstemperatur
Nach Tg: FestkörperzustandTemperaturabhängigkeit der Steifigkeit vom Festkörperzustand--Minimaler Wert von δ