Thermische und rheologische Charakterisierung der Aushärtung von Nagelgel

Einleitung

Der Markt für Nagelgele (die aushärten) und -lacke (die lufttrocknen) bietet vielzählige Produkte – von transparenten über schwarze bis hin zu allen Farben des Regenbogens. Auch wenn das erste Auswahlkriterium meist ästhetischer Natur ist, wünscht sich der Verbraucher ein Produkt, das sich praktisch auftragen lässt und das gewünschte Finish und Performance liefert. Darum sollte sich das perfekte Nagelgel bzw. -lack relativ flüssig anfühlen und sich einfach mit dem Pinsel auftragen lassen, ohne über das Nagelbett zu fließen. Die Trocknungsoder Aushärtezeit sollte so kurz wie möglich sein und für ein makelloses Aussehen eine glatte Oberfläche aufweisen. Auch ist es wünschenswert, dass die Maniküre lange hält, ohne dass sie sich allzu schwer entfernen lässt. 

Einige Nagelgelarten benötigen zum Aushärten eine UVLampe. Diese Produkte enthalten einen Photoinitiator, der die Aushärtereaktion in Gang setzt, sobald das Gel den geeigneten Wellenlängen der Lampe ausgesetzt ist.

Belichtungszeit, Wellenlänge und Intensität der Lampe sind für die korrekte Aushärtung des Nagelgels äußerst wichtig.

Experimentelles

Die UV-Aushärtung von drei Nagelgelen wurde mit zwei unterschiedlichen Methoden charakterisiert: 

  • Dynamische Differenz-Kalorimetrie für die Informationen über Aushärtegeschwindigkeit und -zeit. 
  • Rotationsrheometrie zur Charakterisierung der Moduländerung des Nagelgels während der UV-Belichtung. 

Die Proben waren rot, schwarz und transparent, letztere enthielt suspendierte Glitzerpartikel. 

In Tabelle 1 sind die Bedingungen zusammengefasst, unter denen die drei unterschiedlichen Proben untersucht wurden.

Tabelle 1: Messbedingungen

DSCGerätDSC 300 Caliris® mit H-Modul
Probeneinwaage3.0 mg
TiegelConcavus®® (Aluminium, offen)
Temperatur30 °C (IsothermUntersuchungen bei geregelter und konstanter Temperatur werden als isotherm bezeichnet.isotherm)
AtmosphäreStickstoff (20 ml/min)
LampeOmnicure® S 2000 (Wellenlängenbereich: 320 bis 500 nm)
Belichtungsdauer180 s
Rotational RheometryGerätKinexus
GeometriePP8 (Platte/Platte, Durchmesser: 8 mm)
Spalt250 μm
Temperatur25 °C
AtmosphäreRaumtemperatur (Luft)
LampeOmnicure® S 2000 (Wellenlängenbereich: 320 bis 500 nm)
Belichtungsdauer30 s

DSC – Funktionsprinzip

DSC ist eine Technik, bei der der Unterschied zwischen der Wärmeflussrate in einen Probentiegel und der Wärmeflussrate in einen Referenztiegel in Abhängigkeit von der Zeit und/oder Temperatur gemessen wird. Dabei werden Probe und Referenz demselben geregelten Temperaturprogramm und einer definierten Atmosphäre ausgesetzt.

Rotationsrheometrie (Oszillationsmessung) – Funktionsprinzip

Die obere Platte oszilliert bei einer definierten Frequenz f [Hz] (oder ω [rad/s]) und Amplitude [%] (oder Scherdeformation γ [%]), γ = γo + sin (ωt).

Die für diese Oszillation erforderlich Schubspannung σ [Pa] wird bestimmt: σ = σ0 + sin(ωt+δ).

Ergebnis: Die viskoelastischen Eigenschaften der Proben werden bestimmt, insbesondere der komplexen Steifigkeit G* (|G*| in [Pa]).

Der “In-Phase”-Anteil von G* bezieht sich auf die elastischen Eigenschaften der Probe (→ G', Speicherschubmodul), der "Außer-Phase"-Anteil auf die viskoelastischen Eigenschaften (→ G'', Verlustschubmodul) des viskoelastischen Materials.

Thermische Analyse und Aushärtegeschwindigkeit

Aushärteeffekte in DSC-Kurven können in Form von exothermen Effekten auftreten. Die Aushärtereaktion kann entweder durch Wärme oder UV-Licht bei Verwendung einer DSC mit UV-Lampe (Photo-DSC) initiiert werden. 

Abbildung 1 zeigt die Kurven der Photo-DSC während der UV-Belichtung der drei Nagelgele. Die Peakfläche stellt die Aushärteenthalpie dar. Je höher dieser Wert ist, desto mehr Energie wird während der Reaktion freigesetzt.

1) DSC-Kurve als Ergebnis der UV-Aushärtung der Nagelgele

Die transparente Probe mit Glitzerpartikeln weist den Aushärtepeak mit der höchsten Reaktionstemperatur und ReaktionsenthalpieReaktionstemperatur und Reaktionsenthalpie können mit z.B. mit Hilfe der dynamischen Differenz Thermoanalyse (DSC) bestimmt werden. Das Verfahren dazu ist z.B. in der DIN EN ISO 11357-5 beschrieben.Reaktionsenthalpie auf (211 J/g). Das bedeutet jedoch nicht, dass sie mehr Zeit zur Beendigung der Reaktion als die beiden anderen benötigt. Es ist auch das Material, das am schnellsten reagiert, wie die Steigung der Kurve vor Erreichen des Maximums zeigt: Sie ist bei diesem Material am steilsten. Abbildung 2, die die Konversionsrate für alle drei Proben darstellt, verdeutlicht dieses Ergebnis. Je höher der Wert des Peakmaximums und je steiler die Steigung vor dem Peakmaximum, umso schneller ist die Konversionsrate. Folglich ist die Aushärtung bei der transparenten Probe mit Glitzerpartikeln am schnellsten (das Peakmaximum ist bereits 11,5 s nach der UV-Belichtung erreicht und mit der höchsten Konversionsrate von 7,0 %/s verbunden). 

Im Gegensatz dazu zeigt die schwarze Probe ein entgegengesetztes Verhalten. Die Reaktion verläuft am langsamsten (allmählicher Anstieg der Kurve vor Peakmaximum, was zu einer Kurve der Konversionsrate mit einem Peakmaximum von 3,8%/s bei 12,3 s führt) und ist mit der geringsten Energiefreisetzung (127 J/g) verbunden. 

Das rote Nagelgel zeigt ein Aushärteverhalten, das zwischen den beiden anderen liegt; sowohl bei der Reaktionsgeschwindigkeit als auch bei der Aushärteenthalpie.

2) Konversionsrate der Aushärtung für die drei Nagelgele

In Abbildung 3 sind die Kurven des komplexen Moduls aller drei Proben dargestellt. Vor der Aushärtung weisen alle Proben eine ähnliche Steifigkeit von 70 bis 80 Pa auf. Der deutliche Modulanstieg ist ein Anzeichen dafür, dass die Aushärtung begonnen hat. Ähnlich wie bei der DSC hängt die Steigung der Kurve mit der Reaktionsgeschwindigkeit zusammen. Die Ergebnisse stimmen mit den DSC-Resultaten überein. Das transparente Nagelgel mit den Glitzerpartikeln härtet am schnellsten aus und die schwarze Probe weist die langsamste Aushärtung der drei Proben auf.

3) Komplexer Modul (E*)Der komplexe Modul besteht aus zwei Komponenten, dem Speicher- und dem Verlustmodul. Der Speichermodul (oder Elastizitätsmodul) beschreibt die Steifigkeit und der Verlustmodul beschreibt das Dämpfungs- (oder viskoelastische) Verhalten der entsprechenden Probe mit der Methode der dynamisch-mechanischen Analyse (DMA).Komplexer Modul der drei unterschiedlichen Nagelgele

Die Proben unterscheiden sich auch in ihrem Endmodul. Der des transparenten Gels mit Glitzer steigt während der Aushärtung um 6 Dekaden an gegenüber weniger als 4 Dekaden für das schwarze Gel. 

Abbildung 4 zeigt zusätzlich die Kurven von G', G'' und δ während des Aushärteprozesses der schwarzen Probe unter UV-Licht. Zu Beginn der Messung ist der viskose Schubmodul (G'', blau) höher als der elastische Schubmodul (G', rot). Der Phasenwinkel ist hoch (über 80°). Dies bedeutet, dass sich das Nagelgel unter diesen Messbedingungen vor der Aushärtung nahezu wie eine ideale Flüssigkeit mit nur sehr schwachen elastischen Eigenschaften verhält. 

4) Kurven des elastischen, viskosen Schubmoduls und des Phasenwinkels, erhalten während der UV-Aushärtung des schwarzen Nagelgels

Die Aushärtereaktion führt zu einem Anstieg sowohl von G' als auch G''. Sie kreuzen sich 7 Sekunden nach der UV-Belichtung. In der Praxis bedeutet der Übergang, dass ab diesem Zeitpunkt das durch die Aushärtung gebildete Netzwerk stark genug ist, um ein Fließen des Materials auf der Zeitskala von 1 Hz zu verhindern. Am Ende der Messung steigen die Kurven von G' und G'' weiter an, auch wenn dieser Anstieg nicht signifikant ist. Durch die UV-Belichtung wurde ein Aushärteprozess in Gang gesetzt, der sich auch nach dem Ausschalten der Lampe fortsetzt.

Phasenwinkel 

Der Phasenwinkel δ (δ = G''/G') ist ein relatives Maß für die viskosen und elastischen Eigenschaften eines Materials. Er reicht von 0° für ein vollständig elastisches Material bis 90° für ein vollständig viskoses Material.

Hat eine hohe Aushärtegeschwindigkeit verbesserte Probeeigenschaften zur Folge?

Für den Verbraucher ist eine schnellere Aushärtung von Vorteil. Natürlich sind die Endeigenschaften der Maniküre auch nach der Anwendung wichtig. Ein Amplitudensweep nach der Aushärtung trägt dazu bei, das Verhalten der Gele nach der Aushärtung vorherzusagen, indem er Informationen über ihre innere Struktur liefert. 

Zu diesem Zweck wird in Abbildung 5 der linear-viskoelastische Bereich der beiden extremen Proben (transparentes Gel mit Glitzer und schwarzes Gel) verglichen. 

Das LVB-Plateau des schwarzen Nagelgels ist breiter und weist einen niedrigeren Modul als das der transparenten Probe auf, was darauf hindeutet, dass das ausgehärtete schwarze Gel wahrscheinlich flexibler ist.

Auch wenn das transparente Nagelgel schneller als das schwarze aushärtet, besitzt es auch sprödere Eigenschaften.

5) Amplitudensweep nach der Aushärtung des schwarzen und klaren Nagelgels

LVB – Linear viskoelastischer Bereich

Fazit

DSC und Rotationsrheometrie sind zwei sich ergänzende Methoden zur Charakterisierung der Aushärtung von Nagelgelen. 

Mit beiden Methoden lässt sich die Aushärtegeschwindigkeit bestimmen. Die DSC 300 Caliris® liefert zusätzlich Informationen über die während der Aushärtung freigesetzten Energie, während Messungen mit dem Kinexus die Eigenschaften der unterschiedlichen Produkte während und nach der Aushärtung vergleichen.