10.08.2023 von Dr. Gabriele Kaiser

Wie kommt Baumwolle in den Lippenstift?

Ob Chanel, Dior, Estée Lauder, Babor, Lancôme oder Douglas, man findet immer häufiger den Namen hydriertes Baumwollsamenöl oder englisch hydrogenated cottonseed oil auf der Liste der Inhaltsstoffe von dekorativer Kosmetik oder Körperpflegeprodukten. Lesen Sie im Folgenden, was sich dahinter verbirgt und wie sich das Aufheiz- und Abkühlverhalten dieses Zusatzstoffs mit der neuen DSC 300 Caliris® Classic von NETZSCH bestimmen lässt.

Baumwollsamenöl, manchmal auch als Baumwollsaatenöl bezeichnet, wird aus den Samen der Baumwollpflanze gewonnen [1] und in vielen Ländern als Speiseöl geschätzt. Da die Baumwollpflanze ein natürliches Toxin gegen Insektenfraß enthält, muss das Öl jedoch zunächst raffiniert und das gesundheitsschädliche Gossypol entfernt werden. Das Resultat ist eine hellgelbe Flüssigkeit mit einem hohen Anteil an ungesättigten Fettsäuren und Vitamin E.

In Kosmetikprodukten wird Baumwollsamenöl aufgrund der höheren Stabilität oft in seiner hydrierten Form eingesetzt. Der Begriff Hydrierung beschreibt die Anlagerung von Wasserstoff an ungesättigte Doppelbindungen in Gegenwart eines Katalysators und wird auch als „Härtung“ bezeichnet. Durch die Hydrierung wird aus dem hellgelben Öl ein weißes oder fast weißes Pulver. Allerdings bleiben durch diesen Prozess in der Regel noch einige ungesättigte Bindungen übrig. Neben 94 % gesättigten Fetten beinhaltet hydriertes Baumwollsamenöl deshalb in der Regel noch ca. 2 % ungesättigte Fettsäuren [2]. 

Als Kosmetikbestandteil besitzt hydriertes Baumwollsamenöl feuchtigkeitsspendende Eigenschaften, eine nicht fettende Textur und lässt die Haut glatt und weich anfühlen [3]. Es findet sich u.a. in Hautreinigungsprodukten, Liplinern, Eyelinern oder Lippenstiften.

Abb. 1: Die neue DSC 300 Caliris® Classic besticht durch ihre kompakte Bauweise und Robustheit

Schmelz- und Kristallisationsverhalten

Für die folgenden Untersuchungen eingesetzt wurde die NETZSCH DSC 300 Caliris® Classic(siehe Abb. 1), die sich durch einen geringen Platzbedarf auszeichnet und dadurch in (fast) jedes Labor passt.

Hydriertes Baumwollsamenöl gehört wie alle Öle und Fette zur Gruppe der Lipide und besteht aus Triglyceriden verschiedener Fettsäuren, darunter Palmitinsäure und Stearinsäure. Der Schmelzbereich von Lipiden hängt von vielen verschiedenen Faktoren ab, wie z. B. der Kettenlänge, der Kettenverzweigung, der Anzahl der Doppelbindungen, dem Grad der Veresterung sowie der Anordnung im Kristallgitter [4], da Fette und Öle in verschiedenen polymorphen Formen oder Modifikationen vorliegen können.

Im aktuellen Fall zeigt die Probe beim Aufheizen (Abb. 2, 1. Aufheizung, blaue Kurve) einen breiten Schmelzbereich zwischen ca. 35 °C und 74 °C.

Abb. 2: DSC-Messung an hydriertem Baumwollsamenöl, 1. Aufheizung und nachfolgende Abkühlung; Probenmasse: 6.1 mg, Heiz-/Kühlrate: 10 K/min, Al-Tiegel geschlossen, N2-Atmosphäre

In diesem Temperaturintervall sind mehrere endotherme Effekte zu erkennen: die signifikantesten liegen bei etwa 52 °C, 63 °C und 65 °C (jeweils Peaktemperatur).

Bei der anschließenden kontrollierten Abkühlung (rote Kurve in Abbildung 2) beginnt die Substanz bei ca. 47 °C auszukristallisieren. Der Erstarrungseffekt ist nicht strukturiert.

Wird die Probe nach der Abkühlung ein zweites Mal aufgeheizt (erneut mit einer Heizrate von 10 K/min, hellblaue Kurve in Abb. 3), ergibt sich ein ganz anderes Bild als in der 1. Aufheizung, was den polymorphen Charakter des hydrierten Baumwollsamenöls widerspiegelt. Neben zwei ausgeprägten endothermen Effekten bei 52 °C und 63 °C (jeweils Peaktemperatur) taucht dazwischen ein exothermer Effekt bei ca. 55 °C (ebenfalls Peaktemperatur) auf. Der endotherme Effekt bei 52 °C (hellblaue Kurve in Abbildung 2) stimmt in seiner Temperaturlage gut mit dem entsprechenden endothermen Effekt in der 1. Aufheizung (violette gestrichelte Kurve) überein.  Der zweite, endotherme Peak scheint gegenüber der ersten Aufheizung etwas nach links gerückt zu sein.

Variiert man die Heizrate während der 2. Aufheizung, gelingt es bei kleinen Aufheizge-schwindigkeiten (2 K/min, hellblaue Kurve in Abb. 4), den ersten, endothermen Effekt gänzlich zu unterdrücken und den exothermen Peak vom zweiten, endothermen Effekt zu separieren. Bei höheren Heizraten (5, 10 oder 20 K/min) tritt der erste endotherme Effekt auf und wird mit zunehmender Aufheizgeschwindigkeit immer dominanter, bis die Exothermie bei einer Heizrate von 20 K/min vollständig überkompensiert wird.

Abb. 3: DSC-Messung an hydriertem Baumwollsamenöl, 1. und 2. Aufheizung; Probenmasse: 6.2 mg, Heizrate: 10 K/min, Al-Tiegel geschlossen, N2-Atmosphäre
Abb. 4: DSC-Messung an hydriertem Baumwollsamenöl, jeweils Aufheizungen; Probenmassen: 6.0 bis 6.3 mg, Heizraten: 2 bis 20 K/min, Al-Tiegel geschlossen, N2-Atmosphäre; individuelle Skalierung

 

Dem exothermen Peak im Bereich von 50 bis 55 °C könnte daher eine Strukturumwandlung zugrunde liegen. Zur Verifizierung dieser These sind jedoch weitergehende Untersuchungen z.B. mittels Röntgenstrukturanalyse notwendig.

 

Fazit:

Hydriertes Baumwollsamenöl ist ein hydriertes Pflanzenöl, dessen recht komplexes Schmelzverhalten sich mit Hilfe der DSC 300 Caliris® Classic schnell und unkompliziert phänomenologisch beschreiben lässt. In Kosmetika und Cremes kann es als Alternative zu Hartwachsen eingesetzt werden [5].  

 

Literatur:

[1]        https://www.cosmeticsinfo.org/ingredients/hydrogenated-cottonseed-oil/

[2]        https://en.wikipedia.org/wiki/Cottonseed_oil

[3]        https://www.100percentpure.com/pages/ingredient-hydrogenated-cottonseed-oil#:~:text=In%20addition%20to%20its%20moisturizing,suitable%20for%20all%20skin%20types.

[4]        C. Reitz, PhD thesis, Extrudierte Fettmatrizes mit retardierter Wirkstofffreigabe, Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf, 2007, pp 11 – 13

[5]        https://file.wuxuwang.com/hpe/HPE6/HPE6_326.pdf

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