
Customer SUCCESS STORY
Supramolekulare Chemie: Von der Geruchskontrolle bis zur Optimierung der Ölgewinnung: Wie NETZSCH-Rheometer helfen können

Ein Anwenderbericht von Andrew Howe
„Mein Name ist Andrew Howe. Ich bin Wissenschaftler im Bereich Kolloid/Formulierung/Weiche Materialien. Seit 1988 arbeite ich mit viel Freude mit NETZSCH-Rheometern und ihren direkten Vorgängern Malvern und Bohlin. Die Rheometer sind von unschätzbarem Wert bei der Entwicklung von Materialien für eine maximale Effizienz im Herstellungsprozess und für optimale Eigenschaften des Endprodukts.
Bei meinem früheren Arbeitgeber Kodak habe ich rheometrische Daten verwendet, um Dispersionen für schnelle und effiziente Beschichtungs- und Trocknungsprozesse zu formulieren, und später, bei Schlumberger wurden diese rheometrischen Daten eingesetzt, um die Flüssigkeitsverdrängung in porösen Geometrien zu optimieren.
Heute arbeite ich bei Aqdot, einem Unternehmen, das 2013 an der Universität Cambridge gegründet wurde. Aqdot vermarktet eine Technologie der supramolekularen Chemie, die auf Cucurbiturilen (sogenannte “CBs”) basiert - makrozyklische Moleküle, die einzigartige effektive supramolekulare „Wirte“ sind. CBs binden in ihrem chemisch inerten Hohlraum nicht-kovalent eine Vielzahl an Gastmolekülen, insbesondere hydrophobe, saure, basische und kationische Komponenten.
CB-Homologe (CB[6], CB[7], und CB[8]) wurden in der Wissenschaft intensiv erforscht, waren jedoch bisher nur im Gramm-Maßstab und nur mit großem Aufwand verfügbar."
Innovative Geruchskontrolle in großem Maßstab: Fokus auf Cucurbiturile
"Aqdot hat die Produktion von CBs auf mehrere Tonnen hochskaliert. Der unmittelbare große Markt für dieses Material ist die Beseitigung unangenehmer Gerüche und flüchtiger organischer Verbindungen.

Die Technologie ermöglicht die Bindung von Molekülen unterschiedlicher Größe und molekularer Eigenschaften. Der Ansatz von Aqdot besteht darin, das Produkt zu lizenzieren und zu vermarkten. Zu den Märkten gehören Haushalts- und Körperpflegeprodukte sowie Textilien und Kunststoffe, insbesondere für Anwendungen in der Automobilindustrie.
Eine Folge so vieler marktübergreifender Aktivitäten ist, dass sich die Produkte problemlos in viele Arten von Formulierungen integrieren lassen müssen. Rheologische Messungen sind dabei ein hervorragender Ansatzpunkt, um festzustellen, wie erfolgreich wir dabei waren und geben uns Hinweise darauf, wo wir gegebenenfalls Anpassungen vornehmen müssen.
Die Rheologie bietet einzigartige Einblicke
Immer wenn es um viskoelastische Formulierungen geht, bietet ein Rheometer einzigartige Einblicke. Einer der großen Vorteile der Rheologie ist, dass keine Probenverdünnung erforderlich ist, d.h. Materialien können in ihrer Original-Zusammensetzung, also der Zielkonzentration, untersucht werden.
Häufig gestellte Fragen sind:
- Fließt das Material, ist die Formulierung stabil, neigt es zum Spritzen usw.?
- Wie empfindlich reagiert das Material auf Änderungen der Konzentration, des Molekulargewichts, der Temperatur und der Ionenstärke?
- Ist jede Charge des Produkts identisch?
All diese Fragen können in der Regel durch einfache rheometrische Messungen beantwortet werden. Die mittels Rheologie erhaltenen Ergebnisse sind von unmittelbarem Nutzen für die Produktentwicklung und Optimierung der Eigenschaften des Endproduktes. Die Messungen können dazu beitragen, die Auswahl an möglichen Formulierungen einzugrenzen und somit die Entwicklung zu beschleunigen, sie können jedoch auch bei der Fehlersuche von Problemen eingesetzt werden.
Rheometrische Messungen spielten beispielsweise eine wesentliche Rolle bei der Entwicklung von “Oderase”, einem Lufterfrischer auf Wasserbasis ohne Duftstoffe, der als Pumpspray verwendet wird. Sorgfältig ausgewählte rheologische Untersuchungen trugen dazu bei, eine Zusammensetzung mit geeigneten Eigenschaften und Stabilität zu finden.
Meine Zeit in der Rheologie begann, als ich bei Kodak anfing. Im Jahr 1988 entschieden wir uns für ein VOR-Rotationsrheometer von Bohlin, ein deformationsgesteuertes Gerät - unser Arbeitspferd. Seitdem hat sich die schubspannungsgesteuerte Technologie rasant weiterentwickelt, und nach mehreren Versionen der Bohlin CS-Rheometer (CS = Controlled Stress) bei Kodak und später bei Schlumberger war ich sehr erfreut war, als der Vorstand von Aqdot die Anschaffung von zwei Kinexus Pro+ Rheometern, den Nachfolgern der Bohlin-Geräte, genehmigte.

„Die Entscheidung für Rheometer von NETZSCH fiel uns leicht. Die Geräte haben hervorragende Spezifikationen (und was noch wichtiger ist, sie erfüllen sie auch!). Die Wissenschaftler und Ingenieure von NETZSCH sind stets hilfsbereit; sie bieten klare Lösungen für „einfache“ Probleme, aber auch aufschlussreiche Vorschläge für „grenzwertige“ oder neuartige Herausforderungen. “
The NETZSCH Kinexus Prime Product Portfolio
Hervorragender Service und Kundenbetreuung
Die Entscheidung für diese NETZSCH-Rheometer fiel uns leicht. Die Geräte haben hervorragende Spezifikationen (und was noch wichtiger ist, sie erfüllen sie auch!). Entscheidend war auch, dass NETZSCH seinen ausgezeichneten Service und die Kundenbetreuung beibehalten hat. Die Wissenschaftler und Ingenieure von NETZSCH sind stets hilfsbereit; sie bieten klare Lösungen für „einfache“ Probleme, aber auch aufschlussreiche Vorschläge für „grenzwertige“ oder neuartige Herausforderungen.
In jüngster Zeit haben die Webinare den Anwendern gute Einblicke und direkte Unterstützung auf breiterer Ebene geboten, nicht nur durch die Beantwortung allgemeiner Fragen, sondern auch durch das Aufzeigen neuer Perspektiven für den Einsatz der Geräte.
Ich war begeistert von dem Seminar über rheologische Artefakte. Das Verständnis von Messfehlern ist eine wesentliche Voraussetzung für die bestmögliche Durchführung von Messungen und dient als Basis, um anderen die Ergebnisse verlässlich zu erklären.
Polymergestützte Ölgewinnung: Das ungewöhnliche Fließverhalten wässriger Lösungen von Polymeren mit hohem Molekulargewicht
Typische alltägliche Messungen umfassen sowohl rotierende Messungen (Fließkurven) als auch oszillatorische Schermessungen (Amplituden- und Frequenzsweeps). Die Arbeit in der Industrie bringt es mit sich, dass die meisten Messungen nicht öffentlich gemacht werden dürfen. In Zusammenarbeit mit Andrew Clarke und Kollegen bei Schlumberger konnten wir jedoch eine Reihe an Veröffentlichungen über das ungewöhnliche Fließverhalten wässriger Lösungen von Polymeren mit sehr hohem Molekulargewicht in porösen Medien im Zusammenhang mit der Förderung von Rohöl [1] publizieren.
Unsere Arbeit folgt dem bereits früher beobachteten Phänomen, dass bei Polymerlösungen, die flexible Polymere mit extrem hohem Molekulargewicht (MW >15 MDa) enthalten, der Gegendruck oberhalb einer kritischen Fließgeschwindigkeit über das mit der Scherviskosität zu erwartende Maß hinaus ansteigt: Diese kritische Geschwindigkeit war unter den Fließbedingungen in Ölfeldern erreichbar. Wir konnten bestätigen, dass die kritische Geschwindigkeit unabhängig von der Polymerkonzentration war, jedoch mit dem Quadrat des Molekulargewichtes des Polymers anstieg. Eine derartige Abhängigkeit ist sehr unerwartet.
Mikrofluidische Untersuchungen zeigten, dass die Strömung oberhalb dieses kritischen Volumenstroms instabil wurde. Wir waren in der Lage, die Fließinstabilität in einer einfachen Scherströmung zu reproduzieren, wie Abbildung 1 für teilweise hydrolysiertes Poly(acrylamid) mit sehr hohem Molekulargewicht (MW = 18-20 MDa) zeigt. Bei niedrigen Scherraten besteht ein konventionelles Verhalten (ScherverdünnungDie häufigste Art von nichtnewtonschem Verhalten ist die Scherverdünnung oder pseudoplastisches Fließen, bei dem die Flüssigkeitsviskosität mit zunehmender Scherung abnimmt.Scherverdünnung oberhalb des Newtonschen Plateaus), das mit einem Carreau-Yasuda-Modell angepasst werden kann, das eine Relaxationszeit lCY ergibt. Ab 100s-1 ist jedoch eine scheinbare Verdickung zu beobachten, die auf den ersten Blick überraschend scheint.
Diese kürzere Relaxationszeit lt nimmt mit dem Quadrat des Polymer-Molekulargewichtes zu (die kritische Scherrate des Onset nimmt ab), was auch beim Durchfluss dieser Flüssigkeiten durch Gesteinskerne beobachtet wird (Abbildung 2).

Die Nullscherviskosität h(0), die Relaxationszeiten für den Onset der Scherverdünnung lCY und die mittlere Relaxationszeit der Ruhestruktur am G’=G”-Crossover (losc) nehmen jeweils mit der Polymerkonzentration C3 zu, während das Einsetzen der scheinbaren ScherverdickungWährend die meisten Suspensionen und makromolekularen Werkstoffe wie Polymere scherverdünnend sind, können einige Materialien auch ein scherverdickendes Verhalten aufweisen, bei dem die Viskosität mit steigender Scherrate oder Schubspannung zunimmtScherverdickung bei hoher Scherrate (umskaliert als lPM) und im Gestein (lcore) unabhängig von der Konzentration ist (Abbildung 3).
Die scheinbare Scherverdickung entspricht dem Übergang zu einer instabilen Strömung: Bei schubspannungsgesteuerter Messung der stationären Scherviskositätskurve mit stufenweiser Änderung der Scherbelastung gibt es oberhalb des Onsets eine Hysterese des scheinbaren Scherviskositätswerts, während die Strömung in der kontinuierlichen Schubspannungsrampe (0,3 s Messdauer bei jedem Schubspannungswert) instabil ist, und die Werte der instationären Scherviskosität schwanken (Abbildung 4).
Der Übergang zur instabilen Strömung entspricht der “elastischen Turbulenz”[2], einem Phänomen, das mit Polymeren mit sehr hohem Molekulargewicht in Verbindung gebracht wird, die in gekrümmten Stromlinien fließen: poröse Medien wie Gesteine weisen stark gekrümmte Strukturen auf, rheometrische Geometrien dagegen weit weniger. Allerdings reichen selbst geringe Krümmungsgrade in einer Kegel-Platte-Geometrie aus, um durch diesen Mechanismus [3] eine instabile Strömung zu erzeugen.


Experimente mit 1o- und 4o -Kegeln ergaben die erwarteten überlappenden Daten bei geringer Scherrate, doch die scheinbare Scherverdickung bzw. der Onset der instabilen Strömung im oberen Scherratenbereich beginnt bei niedrigeren Scherraten mit dem Kegel mit dem größeren Winkel.
Dieses Verhalten unterscheidet sich deutlich von den sekundären Strömungen (Turian-Wirbel), die mit zunehmender Viskosität bei höheren Scherraten auftreten: Bei den Polymeren hängt der Onset des instabilen Fließens vom Molekulargewicht, der Scherrate und dem Kegelwinkel, jedoch nicht von der Scherviskosität ab.
Fazit
Vor dieser Arbeit beruhte das Verständnis der polymergestützten Ölgewinnung auf dem einfachen viskoelastischen Verhalten in porösen Medien. Diese hier dargestellten Studien zeigen, dass die Gleichgewichtsströmung keine adäquate Beschreibung des lokalen Fließverhaltens ist: Bei elastischer Turbulenz schwankt das Strömungsfeld sowohl in Richtung als auch in der Amplitude stark um den Mittelwert und ist daher wesentlich effektiver als erwartet bei der Verdrängung einer eingeschlossenen hochviskosen Flüssigkeit wie Rohöl.
Diese Daten erlauben ein besseres Verständnis darüber, warum und unter welchen Bedingungen Polymere mit sehr hohem Molekulargewicht mehr Öl verdrängen als aufgrund ihres linearen viskoelastischen Verhaltens vorhergesagt wurde. Rheometrische Messungen mit hochwertigen Rheometern spielten bei der Erlangung dieses Verständnisses eine entscheidende Rolle.
Danksagung:
Wie oft waren die Diskussionen mit Dr. Adrian Hill und Dr. Shona Marsh (Kundenbetreuung UK) so hilfreich bei der Festlegung der optimalen Versuchsbedingungen für die Rampen-/Schrittbelastungsstudien! Und dank Darren Tennant waren und sind die Rheometer in bestem Zustand.“
Andrew, vielen Dank für diese interessanten Einblicke in deine Forschungsarbeit und das Vertrauen, das du NETZSCH und unseren Rheometern seit Jahrzehnten entgegenbringst!
[1] Mechanism of anomalously increased oil displacement with aqueous viscoelastic polymer solutions, A Clarke, A M Howe, J Mitchell, J Staniland, L Hawkes, K Leeper, Soft Matter, 2015, 11, 3536 – 3541.Viscoelastic Flow of concentrated viscoelastic polymer solutions in porous media. Effect of MW molecular weight and concentration on elastic turbulence onset in various geometries. A M Howe, A Clarke and D Giernalczyk, Soft Matter, (2015) 11 6419 - 6431.
Real-time oil-saturation monitoring in rock cores with low-field NMR J Mitchell A M Howe, A Clarke Journal of Magnetic Resonance, (2015) 256, 34–42
Polymer Flows and Elastic Turbulence in Three-Dimensional Porous Structures, J Mitchell, K Lyons, A M Howe and A Clarke, Soft Matter, 2016,12, 460-468.
How Viscoelastic Polymer Flooding Enhances Displacement Efficiency, A Clarke, A M Howe, J Mitchell, J Staniland, L A Hawkes; SPE Journal, SPE-174654-MS, SPE Journal SPE J. 21 (03): 0675–0687.
[2] Elastic turbulence in a polymer solution flow A Groisman and V Steinberg, Nature 405, 53 (2000).
Efficient mixing at low Reynolds numbers using polymer additives A Groisman and V Steinberg, Nature 410, 905 (2001).
[3] Elastic instability and curved streamlines P Pakdel and G H McKinley, Physical Review Letters, 77, 2459, 1996.