02.04.2024 von Dr. Natalie Rudolph

Die Bedeutung der Rheologie im Kunststoffrecycling

Ein Wegweiser für die Entwicklung von Strategien gegen Materialdegradation

Kunststoffrecycling spielt eine zunehmend entscheidende Rolle in der Kunststoffindustrie und der globalen Wirtschaft, indem es nicht nur zur Reduzierung von Umweltbelastungen und zur Schonung natürlicher Ressourcen beiträgt, sondern auch neue Geschäftsmöglichkeiten und Innovationen fördert. In einer Welt, in der Nachhaltigkeit und Kreislaufwirtschaft immer mehr in den Fokus rücken, eröffnet die effiziente Wiederverwertung von Kunststoffen Wege, sowohl ökologische als auch ökonomische Herausforderungen zu meistern.

Im Kunststoffrecycling ist das Verständnis der Auswirkungen der Degradation auf die Materialeigenschaften von entscheidender Bedeutung. Die damit einhergehende Veränderung, die durch Mechanismen wie Kettenspaltung, Polymerisation oder Vernetzung erfolgt, kann sich auf die Eigenschaften der Kunststoffe, aber auch auf deren Viskosität auswirken [2]. Diese Veränderungen stellen eine Herausforderung für die Industrie dar, die Qualität der recycelten Materialien zu erhalten und ein Downcycling [1] zu verhindern. Nicht immer sind diese Materialänderungen thermoanalytisch oder IR-spektroskopisch sichtbar. Hier zeigt sich einmal mehr die Notwendigkeit der Kombination verschiedener Methoden zur Materialcharakterisierung. 
 

Die Rheologie spielt bei der Überwindung dieser Herausforderungen eine Schlüsselrolle. Sie ermöglicht es, die Auswirkungen wiederholter Verarbeitungsschritte auf Polymere zu verstehen. Mittels rheologischer Untersuchungen lassen sich Strategien zur Reduzierung von Degradationseffekten entwickeln. Die rheologische Untersuchung der Neuware im Vergleich zu einer mehrmals verarbeiteten PEEK-Rohware – siehe Bild 1  –, offenbart beispielsweise einen signifikanten Anstieg in der Viskosität und beleuchtet so die strukturellen Materialänderungen.

Bild 1: Der Vergleich der Scherviskosität von PEEK-Neuware mit einem mehrfach verarbeiteten PEEK bei 380 °C zeigt einen deutlichen Anstieg der Viskosität durch Kettenaufbau oder Vernetzung

Messungen mit dem NETZSCH Kinexus Prime Rheometer

Die Messungen wurden mit einem NETZSCH Kinexus Prime ultra+ mit den folgenden Parametern durchgeführt:

TestScherviskosität
GeometriePlatte-Platte, Durchmesser: 25 mm
Messspalt1 mm
Scherratenbereich10-2 s_1 bis 10 s-1
Temperatureprogramm380 ° C (IsothermUntersuchungen bei geregelter und konstanter Temperatur werden als isotherm bezeichnet.isotherm)

Die Rheologie steht als Methode zur Verfügung, um mehrfach verarbeitete Materialien (Recyclate) zu charakterisieren, eventuelle Verarbeitungsfehler zu erkennen und durch gezielte Optimierung der Verarbeitung, aber auch durch Additivierung oder Blending (Mischen) die geforderten Verarbeitungseigenschaften einzustellen. Das unterstützt das Ziel der Kunststoffindustrie, Materialien so aufzubereiten, dass sie für ein breites Spektrum von Anwendungen wiederverwendet werden können und gleichzeitig die Nachhaltigkeitsziele vorantreiben.

 

Quellen

[1] Downcycling: Viele vermischte oder verschmutzte Stoffe lassen sich nicht ökonomisch aufbereiten, ohne die Stoffeigenschaften oder die Verarbeitbarkeit zu verschlechtern. Um die Qualitätsminderung, die mit vielen Recyclingprozessen einhergeht, zu verdeutlichen, wird der Begriff Downcycling verwendet. (Wikipedia)

[2] Natalie Rudolph, Raphael Kiesel, Chuanchom Aumnate, Understanding Plastics Recycling (Second Edition), Carl Hanser Verlag, 2020, pages 15-46, ISBN 9781569908464

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