03.04.2023 von Martin Rosenschon

Dynamisch-Mechanische Analyse für Hochtemperaturwerkstoffe

Materialcharakterisierung über 500 °C mit der DMA-Methode

Die dynamisch-mechanische Analyse (kurz: DMA) ist eine Methode zur Bestimmung der viskoelastischen Eigenschaften von Materialien in Abhängigkeit der Temperatur, Zeit und Frequenz. Als Hauptanwendung kann hierbei die Bestimmung von Glasübergängen beziehungsweise Phasenübergängen von Polymeren und Polymerkompositen gesehen werden. Sie findet neben der Polymerindustrie auch Anwendung in der Lebensmitteltechnologie und der Biomedizin oder im Allgemeinen in der Materialforschung. Üblicherweise wird in diesen Bereichen das viskoelastische Verhalten von Materialien bei moderaten Temperaturen bis maximal 500 °C charakterisiert.

Viskoelastische Kennwerte, wie Speichermodul E‘ und Verlustmodul E“, spielen jedoch auch im Hochtemperaturbereich eine wichtige Rolle. Beispielsweise müssen die Blätter einer Gasturbine, oftmals gefertigt aus Legierungssystemen wie Stahl, Nickel- oder Titan®-Legierungen, speziell auf Ihre Belastung - angreifende Kräfte und Frequenzen - und die entstehenden Temperaturen ausgelegt sein.  
In der Brennkammer einer Gasturbine können dabei Temperaturen von mehr als 2.000 °C erreicht werden [1]. Je nach verwendeter Kühltechnik und Position treten an den Turbinenschaufeln Maximaltemperaturen zwischen 500 °C und 1000 °C auf [1].  

Abbildung 1 zeigt die Messung einer Inconel 625-Legierung im DMA Eplexor®® HT Hochtemperatur-Serie mit bis zu 500 N dynamischer Kraft in 3-Punkt-Biegung bis 1000 °C. Je nach installiertem Ofen erlaubt die Anlage Messungen von Raumtemperatur bis 1000 °C beziehungsweise bis 1500 °C.
                

Abbildung 1: DMA-Hochtemperaturmessung von Inconel 625 bis 1000 °C in 3-Punkt-Biegung bei 1 Hz im 40 mm Biegesenk mit 1mm Blechdicke und 8 mm Probenbreite

Inconel 625 ist eine nickelbasierte Superlegierung mit den Hauptlegierungselementen Chrom, Molybdän und Niob. Es handelt sich hierbei um einen eingetragenen Markennamen der Special Metals Corp. Diese Legierung besitzt eine hohe Beständigkeit gegenüber Korrosion und OxidationOxidation kann im Zusammenhang mit thermischer Analyse verschiedene Vorgänge bezeichnen.Oxidation. Die Legierung wird oft in Umgebungen verwendet, in denen hohe Temperaturen und korrosive Bedingungen vorherrschen, wie zum Beispiel in Turbinen und anderen Teilen von Flugzeugtriebwerken, in Ofentechnik und Rohrleitungssystemen.  

Angefangen bei circa 210 GPa bei 100 °C nimmt der Speichermodul E‘ (schwarze Kurve) mit zunehmender Temperatur ab, und das Material verliert an Steifigkeit. Bei 400 °C liegt er knapp unter 200 GPa und bei 800 °C bei ungefähr 160 GPa. Diese Werte könnten beispielsweise zur Berechnung der Deformation einer Turbinenschaufel in Abhängigkeit der Betriebstemperatur genutzt werden.  
Im Verlauf des tan δ (blaue Kurve) können zwei Effekte bei 713 °C und 808 °C (Peak-Temperatur) identifiziert werden. Nickelbasislegierungen, wie Inconel 625, werden mittels einer definierten Wärmebehandlung und einer damit einhergehenden Bildung von intermetallischen Ausscheidungen verfestigt. Typische Ausscheidungsphasen in Nickelbasislegierungen, welche festigkeitssteigernd wirken, sind die metastabile kubisch-flächenzentrierte γ‘ Phase Ni3(Al, Ti) und die kubisch-raumzentrierte γ“ Ni3(Nb) Phase [2]. Die Bildung und Auflösung beider Phasen könnten den Effekt bei 713 °C im tan δ erklären. Genauere Rückschlüsse lassen sich aufgrund fehlender Informationen über den Wärmebehandlungszustand des Ausgangsmaterials jedoch nicht treffen.

Bei Petrzak et al. [3] wird ferner für Inconel 625 von der Entstehung der inkohärenten Gleichgewichtsphase δ Ni3(Nb, Ti) ab 750 °C berichtet, was mit dem zweiten Peak im tan δ bei circa 800 °C korreliert.

Neben der Identifizierung von Kennwerten für eine statische und dynamische Auslegung von Bauteilen können folglich mithilfe der DMA auch Erkenntnisse bezüglich der morphologischen Entwicklung - in diesem Fall der Bildung von Ausscheidungen - erlangt werden. 

NETZSCH stellt für Ihren individuellen Anwendungsbereich die passende DMA zur Verfügung, unabhängig davon, ob Sie Materialien im Tieftemperaturbereich von -170 °C bis 500 °C charakterisieren oder die viskoelastischen Eigenschaften von Hochtemperaturwerkstoffen bis zu 1500 °C bestimmen möchten.  

 

Literaturverzeichnis

[1] Boyce, M. P. (2011). Gas turbine engineering handbook. Elsevier.

[2] Andersson, J. (2011). Weldability of precipitation hardening superalloys: influence of microstructure. Chalmers Tekniska Hogskola (Sweden).

[3] Petrzak, P., Kowalski, K. & Blicharski, M. (2016). Analysis of phase transformations in Inconel 625 alloy during annealing. Acta Physica Polonica A, 130(4), 1041-1044.