Methode zur Charakterisierung des Alterungsverhaltens – Eine vergleichende Studie bewertet die Änderung von Flüssigfarben über die Zeit bei Lagerung unter Raum- und erhöhter Temperatur
Background und Motivation
Farbe und Design sind in vielen Bereichen der Konsumgüter genauso wichtig wie die Funktion eines Bauteils. Die Farbe und deren Verarbeitung im Produkt vermittelt dabei ein Gefühl, z. B. der Qualität und Wertigkeit. Es dient zur Identifikation und zur Vermittlung von Hinweisen wie Gefahr, Achtung oder Reinheit. Aufgrund der steigenden Anforderung an die Farbvielfalt färben Kunststoffverarbeiter die Bauteile direkt im Spritzgießprozess selbst ein. Dabei kommen am häufigsten (Farb-) Masterbatches zum Einsatz.
Flüssigfarben stellen eine kostengünstige und flexible Alternative zu Masterbatches beim Einfärben von Kunststoffbauteilen dar. Im Vergleich zum Masterbatch sind vor allem die bessere Dispergierung der Pigmente im Kunststoff ein wesentlicher Vorteil, welcher zu einer geringeren Dosiermenge führt, um die gleiche Farbqualität wie bei Masterbatches zu erzielen. Zudem wird durch das flüssige Trägermaterial, das beispielsweise auf ungesättigten Fettsäureestern oder natürlichen Ölen basiert, ein Reinigungseffekt in der Spritzgussmaschine erzielt, der schnellere Farbwechsel und somit eine signifikante Reduzierung des Ausschusses ermöglicht. Neben möglichen Einflüssen auf die Verarbeitung (z. B. Stick- Slip) und die Materialeigenschaften des fertigen Bauteiles (z B. weichmachende Wirkung auf das Polymer) ist ebenso das Lagerungsverhalten von Flüssigfarben für die Anwendung von großem Interesse.
In dieser Arbeit wird untersucht, ob ein beschleunigtes Altern von Flüssigfarben durch eine erhöhte Lagerungstemperatur möglich ist und ob dieses durch veränderte rheologische Eigenschaften ersichtlich ist.
Konkret sollen anhand eines einfachen Modellsystems folgende Fragen beantwortet werden:
- Ist es möglich, während der Lagerung stattfindende Änderungen von Flüssigfarben rheologisch zu beobachten?
- Können die stattfindenden Änderungen durch ein Erhöhen der Lagerungstemperatur beschleunigt und so eine Vorhersage zum Verhalten der Flüssigfarben getroffen werden?
Material und Methoden
Flüssigfarben sind Stoffmischungen, welche aus einem flüssigen Träger- und Bindemittel, Farbmitteln sowie Additiven bestehen. Typische Trägermittel sind Pflanzenund Paraffinöle sowie Fettsäureester. Als Farbmittel können sowohl anorganische als auch organische Pigmente aber auch Farbstoffe zum Einsatz kommen. Die in einer Flüssigfarbe eingesetzten Additive können zum einen für die Formulierung und den Einsatz dieser notwendig sein (z. B. Netz- und Dispergieradditive, Entschäumer, Rheologieadditive) aber auch für die Performance des Endproduktes, wie z. B. für eine verbesserte UV-Stabilität oder als Flammenschutz.
Für die Untersuchungen wird ein vereinfachtes Modellsystem ohne zusätzliche Additive verwendet. Das Modellsystem besteht aus einem Rapsöl als Träger mit Sorbitanfettsäureestern (Tween80/Span80-Gemisch) als Bindemittel und dem Schwarzpigment Ruß. Der Feststoff- Massenanteil der RußTemperatur und Atmosphäre (Spülgas) beeinflussen die Ergebnisse der Massenänderung. Durch Änderung des Atmosphärenspülgases von Stickstoff auf synthetische Luft während der TG-Messung werden die Auftrennung und Quantifizierung von Additiven, z.B. Ruß, und des Bulk-Polymers realisiert.Rußpartikel beträgt in dem Modellsystem 15,5 %. Die Lagerung der Suspensionen erfolgte sowohl bei 20 °C (Raumtemperatur) als auch bei 40 °C für ein beschleunigtes Altern. Parallel werden Proben ohne Pigment gealtert und untersucht, um eine mögliche Änderung des Trägersystems zu erfassen.
Die rheologische Untersuchungen werden zu unterschiedlichen Zeitpunkten (nach 0, 3, 9, 18, 36, 72 und 150 Tagen) der Lagerung durchgeführt.
Vor den Untersuchungen werden die Proben zum einen mit Hilfe einer dualasymmetrischen Zentrifuge bei moderaten/niedrigen Geschwindigkeiten aufgerührt und homogenisiert. Zum anderen werden die bei 40 °C gelagerten Proben für mindestens 1 h bei Raumtemperatur an die Messtemperatur angepasst.
Die Proben werden mit NETZSCH-Rotationsrheometern, dem Kinexus Prime ultra+ bzw. Kinexus pro+, bei 20 °C charakterisiert. In Vorversuchen konnte gezeigt werden, dass Messungen mit Platte-Platte-Messgeometrien vergleichbare Ergebnisse für dieses Stoffsystem liefern, wie Messungen mit Konzentrischen-Zylindern-Messgeometrien. Alle Proben werden mit einer Platte-Platte-Messgeometrie rotationsrheologisch untersucht. Für die bei 40 °C gelagerten Proben werden zudem rheologische Messungen in Oszillation in Form von Frequenz-Sweeps durchgeführt. Hierfür wird die Konzentrische-Zylindern-Messgeometrie verwendet, da dies ermöglicht, ein größeres Probenvolumen zu nutzen.
Während die rotationsrheologischen Untersuchungen grundsätzlich genutzt wurden, Änderungen des Materialverhaltens zu detektieren, sollten bei den Frequenz-Sweeps Informationen über Änderungen des viskoelastischen Verhaltens gewonnen werden.
Ergebnisse und Diskussion
In Abbildung 1, links sind die bei ansteigender Scherrate gemessenen Viskositätskurven der bei Raumtemperatur gelagerten Suspensionen gezeigt. Deutlich erkennbar ist eine abnehmende Scherviskosität mit ansteigender Scherrate, ein sogenanntes scherverdünnendes Verhalten. Da es sich bei den Flüssigfarben um Suspensionen handelt, richten sich beim Aufbringen einer Schubspannung bzw. einer Scherrate die darin enthaltenen Partikel in Richtung der Scherung im Messspalt aus und sorgen so für einen geringeren Strömungswiderstand. Weiterhin wird bei Scherraten unter 10 s-1 eine Abnahme der Scherviskosität mit zunehmender Lagerungsdauer beobachtet. Dies kann als Hinweis dafür gewertet werden, dass über die Lagerungsdauer ein Strukturabbau erfolgt. Ergänzend zu den gezeigten Messungen werden Rotations-Messungen der an den Rapsöl-Tween-Span-Proben zu den jeweiligen Zeitpunkten durchgeführt. Der Vergleich mit den partikelfreien Proben über die Zeit zeigte zum einen ein Newtonsches Verhalten von diesen und keine altersbedingte Änderung der Scherviskosität. Auch die Art der Lagerung (ob bei Raumtemperatur oder bei 40 °C) hat auf die gemessene Scherviskosität und den Fließkurvenverlauf keinen Einfluss bei den partikelfreien Proben. Es kann daher davon ausgegangen werden, dass eine Änderung der Scherviskosität des Rapsöls nicht die Änderungen in der Scherviskosität der Suspensionen erklärt.

Mit zunehmender Beanspruchung (> 10 s-1) nimmt aufgrund der allmählichen Anordnung der Partikel im Strömungsfeld der scherverdünnende Effekt ab, und der Anteil der Flüssigkomponente auf die Scherviskosität nimmt zu. Dadurch nimmt auch der Unterschied zwischen den Proben zu unterschiedlichen Zeitabschnitten (Alter) ab, und die Messkurven verlaufen tendenziell gleich.
Die Proben nach 150 Tagen bei Raumtemperatur und nach 72 Tagen bei 40 °C zeigen vor allem im höheren Scherratenbereich einen abweichenden Trend. Ab 10 s-1 kann eine Zunahme der Scherviskosität im Vergleich zu den jüngeren Proben beobachtet werden. Da sich dieses Verhalten bei der bei 40 °C gelagerten Probe bereits nach 72 Tagen zeigt, kann die These formuliert werden, dass die für die gleichen Änderungen im untersuchten rheologischen Verhalten die Lagerungsdauer um circa die Hälfte reduziert werden konnte. In Abbildung 1, rechts ist zu sehen, dass ein ähnlicher Trend für die bei 40 °C für 72 Tage gelagerte Suspension zu beobachten ist. Dies kann dahingehend interpretiert werden, dass hydrodynamische Effekte wie beispielsweise strömungsbedingt induzierte Flüssigkeitsimmobilisierung [1] mit zunehmender Lagerung und damit einhergehend möglicher struktureller Änderungen an Bedeutung gewinnen.
Neben den Untersuchungen der dynamischen Scherviskosität wird mittels Oszillation ein Frequenzversuch an den Suspensionen durchgeführt. Hierdurch werden sowohl die elastischen als auch die viskosen Eigenschaften, bekannt als Speicher- und Verlustmodul, der viskoelastischen Probe abgebildet.
In Abbildung 2 ist das Frequenzspektrum zwischen 10 Hz und 10-2 Hz dargestellt. Analog zu den bereits diskutierten Scherviskositätsmessungen ist hier erneut eine Abnahme der rheologischen Größen mit zunehmender Lagerungsdauer zu beobachten. Generell liegt das Speichermodul (G‘) über dem Verlustmodul (G“), was ein festkörperartig dominiertes Materialverhalten unter den getesteten Bedingungen zeigt.
Hervorzuheben ist allerdings, dass für die 75 Tage bei 40 °C gelagerte Suspension ein Crossover des Speicher- und des Verlustmoduls beobachtet wird und bei Frequenzen > 3 Hz der Verlustmodul dominiert. Dies kann dahingehend interpretiert werden, dass für diese Probe ein viskos-dominiertes Verhalten unter den gegebenen Messbedingungen möglich ist und ein Hinweis dafür sein kann, dass die Lagerstabilität der Suspensionen eingeschränkt ist. Für alle für eine kürzere Dauer gelagerten Suspensionen hingegen ist über den gesamten untersuchten Frequenzbereich das Verlustmodul kleiner als das Speichermodul.

Zusammenfassung & Outlook
Mit Hilfe der vorgestellten rheologischen Untersuchungen konnte gezeigt werden, dass die Flüssigfarben ein scherverdünnendes Verhalten aufweisen. Weiterhin konnte beobachtet werden, dass sich das Fließverhalten der Rapsöl-Ruß-Suspensionen mit zunehmender Lagerungsdauer dahingehend ändert, dass eine Abnahme der Werte der untersuchten rheologischen Größen stattfindet. Diese Änderung wird sowohl in der Scherviskosität als auch im frequenz-abhängigen Speicher- und Verlustmodul beobachtet.
Durch das Erhöhen der Lagerungstemperatur konnte eine Beschleunigung der Alterung der Rapsöl-Ruß- Suspensionen beobachtet werden. Es ist jedoch zu beachten, dass aufgrund der erhöhten Temperatur andere Mechanismen des Alterns dominant sein können, was durch weiterführende Untersuchungen abzuklären ist.
Der Fokus dieser Untersuchungen lag auf dem Charakterisieren der Rapsöl-Ruß-Suspensionen als solchen. Darüber hinaus ist es besonders aus Anwendungssicht von Interesse, wie sich die Verarbeitbarkeit beim Spritz- gießen bei Raumtemperatur sowie bei 40 °C Temperatur gelagerter Flüssigfarben verändert und unterscheidet.
Die Untersuchungen wurden an einem Modellsystem vorgenommen. Es bleibt abschließend zu klären, ob für unterschiedliche Systeme von Flüssigfarben unterschiedliche Temperatur-Zeit-Abhängigkeiten beobachtet werden können, so dass unterschiedliche Temperaturen für ein forciertes Altern durch Erhöhen der Temperatur relevant sind. Gegebenenfalls können so auch Klassen an Flüssigfarben mit einem vergleichbaren Alterungsverhalten identifiziert werden. Gegenstand weiterer Untersuchungen sollte zudem sein, welche die maximale Temperatur ist, die für das Durchführen von forcierten Alterungsversuchen anwendbar ist.