15.09.2022 von Aileen Sammler

60 Jahre NETZSCH-Gerätebau: Die Entwicklung neuer Laser Flash Apparaturen

In der vergangenen Woche berichteten wir über die Entstehung und Geschichte der NETZSCH Laser-/Ligh Flash-Apparaturen, kurz LFAs genannt. Heute erfahren Sie mehr zu weiteren Laser Flash Entwicklungen und verraten Ihnen, was unser Geschäftsführer Dr. Jürgen Blumm in seiner Doktorarbeit im Zusammenhang mit der LFA erforscht hat.

Foto: Aufbau der Tieftemperatur-LFA 427

Die neue Tieftemperatur-Laserflash-Apparatur

Wie ändert sich der Heiz-/Kühlenergiebedarf eines Hauses bei verschiedenen Außentemperaturen oder wie sieht die Temperaturverteilung in einem Satelliten unter den Bedingungen im Weltall aus? Um Fragen dieser oder ähnlicher Art zu klären, war ein Messgerät erforderlich, das auch bei Temperaturen unterhalb Raumtemperatur arbeiten kann.

So entwickelte NETZSCH im Jahr 1997 eine LFA 427 für den Tieftemperaturbereich, um die TemperaturleitfähigkeitDie Temperaturleitfähigkeit (a mit der Einheit mm2/s) ist eine materialabhängige Stoffeigenschaft zur Charakterisierung des instationären Wärmetransports. Sie gibt an, wie schnell ein Material auf eine Temperaturänderung reagiert.Temperaturleitfähigkeit von Materialen zwischen - 40 °C und 200 °C messen zu können. Sie fand u.a. für Baustoffe, Kunststoffe sowie Materialien für die Luft- und Raumfahrt Anwendung. Das Besondere dieser LFA waren der Rohrofen mit bifilarer Heizwicklung und Kühlmantel sowie ein Umlaufkühlsystem für Temperaturen unterhalb Raumtemperatur.

Die Laser-Flash-Analyse als Bestandteil der Dissertation von Geschäftsführer Dr. Jürgen Blumm

1995 startete Jürgen Blumm seine Karriere im Applikationslabor. Durch ein Forschungsprojekt zur Sinteroptimierung in Zusammenarbeit mit der Julius-Maximilians-Universität Würzburg widmete er 2003 seine Dissertation dem Thema „Thermische Charakterisierung von Hochleistungskeramiken vor, während und nach dem Sinterprozess“. Die im Rahmen seiner Doktorarbeit erweiterten und kombinierten Messmethoden brachten damals einen völlig neuen Zugang zur Analyse des Sinterprozesses. Die kinetischen Simulationsrechnungen trugen wegweisend zur Prozessoptimierung beim SinternSintern ist ein Herstellungsverfahren zur Bildung eines mechanisch stabilen Körpers aus einem keramischen oder metallischen Pulver.Sintern keramischer Werkstoffe bei. Jürgen Blumm war einer der Ersten, der die mehrstufige Sinterkinetik erforschte. Dabei nutzte er das Laserflash-Verfahren zur Untersuchung der Temperaturleitfähigkeit:

Anbei ein Auszug der Dissertation von Jürgen Blumm:

Dr. Jürgen Blumm

„Durch die Messung der Temperaturleitfähigkeit nach dem Laserflash-Verfahren konnten die Einflüsse von Phasenumwandlungen auf die Transporteigenschaften ermittelt werden. Dieses kontaktlose, zerstörungsfreie Messverfahren ermöglichte Messungen auch im Sinterbereich. Die Verwendung von aktuellen, aus der Literatur bekannten sowie im Rahmen dieser Arbeit neu entwickelten Auswerteverfahren erlaubte Ergebnisse mit deutlich gesteigerter Genauigkeit. Die Kombination aller Messungen ermöglichte die Bestimmung der WärmeleitfähigkeitDie Wärmeleitfähigkeit (λ mit der Einheit W/(m•K)) beschreibt den Transport von Energie - in Form von Wärme - durch einen Körper aufgrund eines Temperaturgefälles.Wärmeleitfähigkeit der keramischen Werkstoffe vor, während und nach dem Sinterprozess mit der für Simulationsrechnungen notwendigen Genauigkeit. 
 
Auf der Basis der gemessenen thermophysikalischen Daten wurden Finite-Elemente-Simulationen durchgeführt, die einen Einblick in die Temperaturverteilung innerhalb eines keramischen Sinterkörpers während der Wärmebehandlung erlauben. Vor allem die Berücksichtigung der temperaturabhängigen Dimensionsänderungen und der Temperaturleitfähigkeit gewährleisten hierbei Simulationen mit hoher Genauigkeit bei hohen Temperaturen. Durch die Verbesserung bestehender Auswerteroutinen und den Einsatz moderner Auswerteverfahren konnten somit Messdaten mit höherer Genauigkeit und ein besseres Verständnis der Abläufe während des Sinterprozesses erreicht werden. 
 
Die im Rahmen dieser Arbeit erweiterten bzw. kombinierten Messverfahren ermöglichen einen neuen Zugang zur Analyse des Sinterprozesses. Die auf der Basis der Messergebnisse möglichen Simulationsrechnungen erlauben Optimierungen der Prozessführungen beim Sintern keramischer Werkstoffe. Zudem wird durch die annähernd vollständige thermische Charakterisierung einer Keramik während des Herstellungsprozesses die Anpassung der thermophysikalischen Eigenschaften eines Bauteils auf die spätere Applikation möglich.“

Dr. Jürgen Blumm
Das Foto zeigt Dr. Jürgen Blumm im Jahr 2002 in Südkorea bei einem Test einer modifizierten LFA 427 Hot Cell-Version vor einem Zellenblock.

NanoFlash und MicroFlash®® halten Einzug

Um einen noch breiteren Anwendermarkt abdecken zu können, erweiterte NETZSCH sein Produktportfolio Anfang der 2000er und übernahm von der amerikanischen Firma Holometrix Micromet neben der Heat Flow Meter-Serie auch eine kleine LFA. 2002 erfolgte bereits der Launch des ersten NETZSCH LFA-Tischgerätes mit der LFA 447 NanoFlash®. Sie kam speziell in der Grundlagenforschung und Qualitätskontrolle zum Einsatz. Mit der LFA 457 MicroFlash®® wurde eine weitere LFA-Tischapparatur mit umfangreichen technischen und design-spezifischen Neuerungen im Markt eingeführt. Die LFA 457 MicroFlash®® erhielt neben einer neu konzipierten Elektronik auch verschiedene Öfen, die Messungen im Temperaturbereich zwischen -125 °C und 1100 °C erlaubten. Alle LFA-Systeme waren ASTM E1461-konform.

Photos: Left, the LFA 457 MicroFlash®®
Right: the LFA 447 NanoFlash

Lesen Sie hier den damaligen Fachartikel von Dr. Jürgen Blumm und Stephan Knappe zur LFA 447 NanoFlash® mit dem Titel „Vom Lichtblitz zum Wärmetransport bei Polymeren“.

Erste LFA mit Xenon-Lichtquelle bis 1250 °C

2013 gelang mit der LFA 467 HyperFlash®® der Launch eines neuen Konzeptes einer Laser-/Light Flash-Apparatur. Dieses Light Flash-System schuf die Grundlage für die neue Hochtemperatur-Apparatur LFA 467 HT HyperFlash®, mit der erstmals Messungen mit einer Xenon-Blitzlampe bis 1250 °C durchführbar waren. Der Platzbedarf der Hochtemperaturversion bleibt derselbe wie bei der Tieftemperaturversion. Darüber hinaus zeichnet sich die Lichtquelle durch eine lange Lebensdauer aus und fordert zusätzlich keine Einstufung in eine Laserklasse.

LFA 467 HT HyperFlash®

 

Click here to read an article in our OnSet customer magazine from 2015 introducing the new-at-the-time LFA 467 HT HyperFlash®:

Marktführer in Sachen Wärme- und Temperaturleitfähigkeitsbestimmung

Die NETZSCH-Gerätebau GmbH bietet heute drei Modelle an, die ein großes Spektrum von Materialien in einem weiten Temperaturbereich abdecken. Die NETZSCH LFA-Systeme erfüllen die einschlägigen Geräte- und Anwendungs-Normen wie z.B. ASTM E1461, DIN EN 821.