Warum die Kenntnis der Anisotropie beim Design von Hochleistungs-Verbundwerkstoffen entscheidend ist

Einleitung

Faserverstärkte Verbundwerkstoffe, die die Eigenschaften von Fasern und einer Polymermatrix vereinen, gibt es bereits seit Jahrzehnten. Faser-Matrix-Verbundwerkstoffe sind steifer, besitzen ein sehr günstiges Festigkeits- Gewichts-Verhältnis und eine viel geringere DichteDie Massen-Dichte ist definiert als Verhältnis zwischen Masse und Volumen.Dichte als ihre metallischen Gegenstücke. Dies macht sie um bis zu 60 % leichter als zum Beispiel Stahl. Dies ist eine wünschenswerte Eigenschaft bei Komponenten auf dem Mobilitätssektor und insbesondere in der Automobilbranche. Jede Gewichtsreduzierung trägt zur Verbesserung der Kraftstoffeffizienz und Erhöhung der Reichweite von Elektroautos bei. Für die Automobilindustrie liegt ein weiterer Vorteil der Faser-Matrix-Verbundwerkstoffe in deren Korrosionsbeständigkeit. 

Glasfaserverstärkte thermoplastische Matrix-Verbundwerkstoffe weisen eine höhere DichteDie Massen-Dichte ist definiert als Verhältnis zwischen Masse und Volumen.Dichte und einen niedrigeren Modul als kohlenstofffaserverstärkte Verbundwerkstoffe auf, sind jedoch wesentlich kostengünstiger – ein weiterer wichtiger Faktor in der Automobilindustrie. Aufgrund seiner hervorragenden mechanischen Eigenschaften, Formbarkeit und niedrigen Kosten wird in Automobilteilen häufig Polypropylen (PP) eingesetzt, sowohl als reines Material, aber auch mit Kurz- und Endlosfaserverstärkung. Anwendungen sind z.B. Gehäuse und Ablagen, Stoßstangen, Kotflügelverkleidungen, Innenverkleidungen, Armaturen und Türverkleidungen. Weitere positive Eigenschaften von PP sind eine hohe chemische Beständigkeit, gute Witterungsbeständigkeit und ein ausgewogenes Verhältnis von Schlagzähigkeit und Schlagfestigkeit, was erklärt, warum es eines der am häufigsten verwendeten Polymere auf dem Markt ist.

Quasiisotrope und anisotrope Verbundwerkstoffe

Es gibt verschiedene Arten, die Faser in die thermoplastische Matrix einzuarbeiten – Wirr-Fasern, unidirektionale Endlosfasern oder multidirektionales Gewebe, siehe Abbildung 1. Die Orientierung der zugesetzten Fasern spielt eine wichtige Rolle, was die Bauteileigenschaften betrifft.

1) Schemata der unterschiedlichen Faserorientierungen

 

Während beliebig orientierte Fasern die Festigkeit und Steifigkeit im Vergleich zum reinem Polymer bis zu einem gewissen Grad erhöhen, verbessert der Zusatz von orientierten Fasern in einer bevorzugten Richtung die Performance in dieser Formteilrichtung erheblich. Diese bevorzugte Orientierung verleiht dem Verbundwerkstoff anisotrope Eigenschaften, d.h. die Eigenschaften in Faserorientierung werden durch die Fasereigenschaften dominiert, wohingegen senkrecht dazu die Matrixeigenschaften ausgeprägter sind. Die Kenntnis dieses anisotropen Verhaltens ist Voraussetzung für das Design und die Herstellung dieser Verbundwerkstoffkomponenten. Obwohl jeder in erster Linie an die Anistotropie der mechanischen Eigenschaften denkt, unterscheidet sich auch das Ausdehnungsverhalten des Materials in Abhängigkeit von der Faserrichtung. Wird die Anisotropie eines Materials übersehen oder ist diese nicht bekannt, kann dies zu großen Problemen beim Endprodukt führen. So können sich beispielsweise ebene Oberflächen wölben oder – noch schlimmer – es können sich Risse bilden oder gar ganze Bauteile brechen.

Thermomechanische Analyse – Eine Methode zur Bestimmung der Anisotropie in Verbundwerkstoffen

Mittels thermomechanischer Analyse (TMA) können Dimensionsänderungen und damit der WAK (Wärmeausdehnungskoeffizient) von faserverstärkten Polymeren in unterschiedlichen Materialrichtungen bestimmt werden. Für diese Studie wurden Proben bei der Neuen Materialien Bayreuth GmbH hergestellt. Drei Schichten eines PP-GF-UD-Tapes (glasfaserverstärktes Polypropylen mit unidirektionalen Glasfasern) wurden übereinandergelegt und in einer Doppelbandpresse in drei Heizzonen von 180 °C bis 190 °C vorverfestigt. Dann wurde der Rohling in einem Konvektionsofen für 10 min vorgewärmt und in eine Heißpresse mit einer Werkzeugtemperatur von 80 °C überführt. Dort wurde während der Erstarrung 5 min lang ein Druck von 10 bar aufgebracht. Die resultierende Dicke beträgt 1 mm.

2) TMA 402 F3 Hyperion® Polymer Edition

 

Während das Tape einen durchschnittlichen Faservolumengehalt von 45 Vol.-% aufweist, variiert der Gehalt in der Platte lokal zwischen 40 - 50 Vol.-%. Für die TMA-Messungen bei NETZSCH Analysieren & Prüfen wurden Proben von 25 x 5 mm in zwei verschiedenen Richtungen aus den Platten geschnitten: 0° in Faserrichtung und 90° zur Faserrichtung. Die Proben wurden mit der TMA 402 F3 Hyperion® Polymer Edition (Abbildung 2) gemessen. Nach einer anfänglichen Abkühlstufe wurde die Temperatur von -70 °C auf 140 °C mit einer Heizrate von 5 K/min erhöht. Der thermische Ausdehnungskoeffizient wurde mittels mittlerer WAK-Analyse (m. CTE in der NETZSCH-Analysesoftware) berechnet, was der Steigung zwischen zwei Datenpunkten entspricht. Die Messbedingungen sind in Tabelle 1 zusammengefasst.


Tabelle 1: Messbedingungen

Probenhalter

Expansion, SiO2

Probenlast

50 mN

Atmosphäre

N2

Gasdurchflussrate

50 ml/min

Temperaturbereich

-70 ... 140 °C mit einer Heizrate von 5 K/min

3) Messung an einem PP-GF-UD-Verbundwerkstoff. Probenlänge: 25 mm, Heizrate: 5 K/min von -70 °C bis 140 °C, Atmosphäre: N2, Probenhalter für Messungen im Expansionsmodus aus Quarzglas

Beispiel: Anisotropie in PP-GF-UD

Dieses Material weist, abhängig von der Richtung, in der es gemessen wird, unterschiedliche WAKs auf. Der WAK dieser Art von Verbundwerkstoffen ist eine Mischung aus der Matrix und der darin enthaltenen Fasern. Die WAKMessergebnisse der thermischen Ausdehnung für dieses PP-GF in zwei unterschiedlichen Faserrichtungen sind in Abbildung 3 dargestellt. Die rote Kurve spiegelt die Messung in Faserrichtung 0° wider. Der geringe thermische Ausdehnungskoeffizient im Bereich von Glas und zeigt, dass diese Messrichtung durch die geringe thermische Ausdehnung der Glasfasern dominiert wird. Das gleiche Material, 90° zur Faserrichtung gemessen (schwarze Kurve), wird von der Polypropylen-Matrix dominiert. Es zeigt einen viel höheren WAK und weist den bekannten Glasübergang (Tg) von Polypropylen bei -7 °C auf, der in der roten Kurve nicht beobachtet werden konnte. 

In der Matrix folgt die dominierende Richtung des WAK eines Verbundwerkstoffs der Mischungsregel:

wobei α der lineare thermische Ausdehnungskoeffizient (WAK), v der Volumenanteil und die Indizes f und m die Fasern bzw. die Matrix sind. Unter der Annahme, dass der gemessene WAK in 0°-Faserrichtung derselbe ist wie αf und der WAK der Polypropylen-Matrix αm= 1,6 · 10-4K-1 (hier nicht gemessen), wird der Volumenanteil der Glasfaser im gemessenen Verbundwerkstoff berechnet zu

Zusammenfassung

Die Studie belegt die Bedeutung des thermischen Längenausdehnungskoeffizienten von Hochleistungsverbundwerkstoffen. Die TMA ist eine Methode, die den Längenausdehnungskoeffizienten sowohl in allen Faserals auch Formteilrichtungen präzise bestimmen kann.

Danksagung

Wir danken der Neue Materialien Bayreuth GmbH für die Bereitstellung der Proben.

Über Neue Materialien Bayreuth GmbH

Die Neue Materialien Bayreuth GmbH (NMB) ist eine außeruniversitäre Forschungseinrichtung, die im Themenfeld Leichtbau für Kunststoffe, Metalle sowie faserverstärkte Verbundwerkstoffe neuartige Materialvarianten und die damit verbundenen Verarbeitungsverfahren entwickelt. Weiterhin schaffen sie anwendungsnahe Lösungen, um vorhandene Werkstoffe und Produktionsprozesse anwendungsbezogen zu optimieren.