02.02.2022 von Dr. Ekkehard Post, Aileen Sammler

60 Jahre NETZSCH-Gerätebau GmbH – Die Geschichte der Simultanen Thermischen Analyse

STA – Dieses klassische Thermische Analyseverfahren ist neben dem Dilatometer eines der ältesten Geräte in der Geschichte der NETZSCH-Gerätebau GmbH. Erfahren Sie in den kommenden Wochen mehr zur Geschichte und zu den aktuellen Geräte-Highlights. Außerdem gibt es schöne Service-Geschichten zum Schmunzeln.

Im Zuge unseres 60-jährigen Firmenjubiläums warfen wir im Januar einen Blick hinter die Kulissen der Dilatometer. Im Februar dreht sich alles rund um die STA – die Simultane Thermische Analyse. Freuen Sie sich auf eine interessante Geschichte zur Entwicklung der STA über die vergangenen Jahrzehnte, auf einen spannenden Beitrag eines unserer langjährigen Kunden aus dem Bereich der nuklearen Sicherheitsforschung sowie auf kuriose und verrückte Erlebnisse unseres chinesischen Service-Teams in Shanghai. Auch ein Geburtstagsständchen wird es geben…

Zur Geschichte der Simultanen Thermischen Analyse (TG-DSC/DTA) (STA)

STA – Dieses klassische Thermische Analyseverfahren ist neben dem Dilatometer eines der ältesten Geräte in der Geschichte der NETZSCH-Gerätebau GmbH. Die STA ging aus der Differenz-Thermoanalyse (DTA) -Technik hervor. 1954 baute NETZSCH die erste DTA zur Charakterisierung von Mineralien (Kaoline, Tone etc.).  Sie diente u.a. zur Bestimmung der Mineralphasen und war eine wichtige Methode für die Auswahl und Qualitätssicherung von keramischen Ausgangsmaterialien für die Porzellanindustrie in Nordbayern. In der Geologie und Mineralogie hielt sie Einzug bei der Bestimmung und Quantifizierung von Tonmineralien, anorganischen Substanzen, aber auch organischer Verbindungen. Die Kombination mit einer Thermowaage (TG) erlaubte dann später, gleichzeitig zu den energetischen Effekten auch die Massenverluste zu bestimmen. Dadurch wurde die Zuordnung von Gewichtsverlusten durch z.B. Dehydrierungs- oder Zersetzungsvorgänge zu den endothermen oder exothermen DTA-Peaks während einer Messung ermöglicht.

Apparatur zur Differential-Thermo-Analyse (DTA) bis 1050 °C, gebaut 1954, mit fotographischer Registrierung und Steuerung

Lesen Sie dazu einen Beitrag zur Firmenchronik der NETZSCH-Gerätebau GmbH aus dem Jahre 1969.

 

Die erste NETZSCH Vakuum-Thermowaage TG 419 wurde 1969 gebaut und geliefert, ein Jahr später folgte die STA 429. Eine STA 409 gab es zu diesem Zeitpunkt bereits, jedoch war diese nicht gasdicht.
Zu dieser Zeit erfolgte die Aufzeichnung der Daten noch mittels eines Messschreibers. Die Peaks schnitt man händisch aus und wog diese, um die Enthalpie zu bestimmen. Später nutzten Anwender die ersten HP-Computer (HP310) mit Doppeldiskettenlaufwerken. Auf Plottern und Nadeldruckern wurde die Daten nach der Auswertung grafisch ausgegeben. Zu diesem Zeitpunkt wurden dann auch gas- und vakuumdichte Geräte entwickelt, da mittlerweile auch Messungen in inerter Gasatmosphäre erforderlich waren, um OxidationOxidation kann im Zusammenhang mit thermischer Analyse verschiedene Vorgänge bezeichnen.Oxidation, zum Beispiel von Metallen, wie Titan®, Wolfram oder Zirconium zu verhindern.

Die erste TG 419 Vakuum-Thermowaage (1969, Foto links) war optisch ähnlich der STA 429 (rechts), die im Herbst 1970 erstmalig gebaut wurde

Datenaufzeichnung: Vom Messschreiber zu moderner PC-Technik

Die Anforderungen an die Genauigkeit, Langzeitstabilität und Empfindlichkeit stiegen im Laufe der Zeit ebenso wie die Miniaturisierung in der Elektronik und die Fortschritte in der Computertechnik.

Foto: STA-Einheit mit Datenerfassung, Messschreiber, Plotter und HP-Rechner.

Sehen Sie sich hier eines unserer ersten STA 429-Prospekte an.

Von den zuvor eingesetzten Analogwaagen wurde auf Digitalwaagen umgestellt. Dies führte dazu, dass auch die Waagen-Gehäuse von z.B. von 25 l Totvolumen in den alten STA-Gehäusen auf ca. 2,5 l in den neuen STAs verkleinert werden konnten. Das stark reduzierte Volumen ermöglichte die Verringerung von Auspumpzeiten, Gaswechselvorgängen und eine Verbesserung der Reinheit der Messatmosphäre.

Beleuchtete Analogwaage (links) und Digitalwaage (rechts) im Vergleich

Modularer Geräteaufbau für maximale Flexibilität

Bereits mit Entwicklungsbeginn stand die Philosophie NETZSCHs fest: Die Intention war ein modularer Aufbau der STA, der durch nur wenige, vom Kunden selbst durchführbare Umbauschritte sehr flexible Messanordnungen zur Verfügung stellen konnte.

So sind die verschiedenen DTA- und DSC-Probenträger durch Stecksysteme leicht austauschbar. Dies ermöglicht einen schnellen Wechsel von TG auf TG-DTA oder TG-DSC-Sensoren. Mit Hilfe der unterschiedlichen Thermoelementtypen kann der für eine Messung optimale Temperaturbereich sowie die Empfindlichkeit angepasst und eingestellt werden.

Spezielle Kundenwünsche und neue Messanforderungen führten zu einer Vielzahl von Öfen, die einen Temperaturbereich von -160 °C bis 2400 °C abdecken, Sonderatmosphären zulassen (Wasserdampföfen, Öfen für korrosive Gasatmosphären etc.) oder für extrem schnelle Heizraten (High-Speed Ofen) ausgerichtet sind.

Die nachgeschaltete Gasanalytik (MS, FT-IR, GC-MS) ist eine wichtige Ergänzung der STA-Geräte. Sie erlaubt in vielen Fällen eine leichtere und oft erst sinnvolle Interpretation der STA-Ergebnisse. Auf diese Kopplungsmöglichkeiten gehen wir im nächsten Monat ausführlich ein. Und nächste Woche erfahren Sie im Detail, was unsere aktuellen STAs so einzigartig macht.