14.03.2022 von Erwin Kaisersberger

Das größte „NETZSCH-Labor“ außerhalb NETZSCH-Selb

In den vergangenen beiden Wochen haben Sie bereits Einiges über die Entwicklungsgeschichte unserer Kopplungen erfahren. Heute stellen wir Ihnen das vermeintlich größte “NETZSCH-Labor” vor, dass jedoch kein NETZSCH-Unternehmen ist. Erfahren Sie außerdem, wie sich die Kopplungssysteme bis heute entwickelt haben und was sie einzigartig macht.

In den vergangenen beiden Wochen haben Sie bereits Einiges über die Entwicklungsgeschichte unserer Kopplungen erfahren. Heute stellen wir Ihnen unter anderem das vermeintlich größte NETZSCH-Labor vor, dass jedoch kein NETZSCH-Unternehmen ist.

Erwin Kaisersberger fährt in der Ausführung der Kopplungshistorie fort:

Das größte „NETZSCH-Labor“ außerhalb NETZSCH-Selb

Es sei an dieser Stelle erlaubt, das außerhalb Selb größte „NETZSCH-Labor“ zu erwähnen: In Dresden ist im Fraunhofer-Institut für Keramische Technologien und Systeme, IKTS, das best-ausgestattete Thermoanalysenlabor Europas für keramische Technologien und Pulvermetallurgie gewachsen. Ausgehend von ersten Anschaffungen im Zentralinstitut für Festkörperphysik und Materialforschung der Akademie der Wissenschaften der DDR (STA 429 bei Dr. Hesselbart) wurde nach der Gründung des IKTS 1992 mit Dr. Gert Leitner (gest. 2019) und Klaus Jaenicke-Rößler der Laborausbau weitergeführt. In vorbildlicher Weise wurden die Geräte arrangiert und mit perfekt installierter Reinstgasversorgung versehen. Der Gerätepark umfasst ausgehend von den späteren 1990er Jahren heute:

Akkreditierte Messplätze:

  • Simultan-Thermoanalysatoren (STA 449F1, 429, 429C, 409); teilweise gekoppelt (Kapillare, Blenden oder Skimmer) mit
  • Massenspektrometern (QMS403C, QMG420, 421, 422)
  • FTIR-Spektroskop (Tensor27)
  • Makrothermowaage (MTG419/NGB)
  • Thermomechanische Analysatoren (TMA 402)
  • Thermodilatometer (DIL402 und DILE7)
  • Dynamische Differenzkalorimeter (Differential-Scanning-Calorimeter DSC 404, 404C und DSC7)
  • Laser-Flash-Analysator (LFA427)
  • Light-Flash-Analysator (Nano-Flash) (LFA447)
  • Wärmeleitfähigkeitstester (TCT416)

An allen Anlagen verfügbar: Ein automatisiertes Laborgasversorgungssystem für Mischen und Dotieren von hochreinen Atmosphären, Druckbereich von Hochvakuum bis Normaldruck sowie Möglichkeit zur Gasanalyse mit transportablem Massenspektrometer.

Ausschnitt aus dem Thermoanalyse- und Thermophysik-Labor des IKTS in Dresden

Heute steht der Bereich Thermoanalyse und Thermophysik des IKTS unter der Leitung von Dr.- Ing. Tim Gestrich, der auf viele Jahre Erfahrung auf dem speziellen Themengebiet für anwendungsorientierte moderne keramische Hochleistungswerkstoffe, industrierelevante Herstellungsverfahren und prototypische Bauteile zurückblicken kann.

Dr.-Ing. Tim Gestrich, Fraunhofer-Institut für Keramische Technologien und Systeme IKTS, Gruppenleiter Thermische Analyse und Thermophysik

Die vielen Jahre der Beschäftigung mit aufwendigen Kopplungsverfahren für die Massenspektrometrie konnten nicht darüber hinwegtäuschen, dass ein großer Kundenkreis sich diese Systeme nicht leisten konnte oder wollte. Darüber hinaus haftet auch der aufwendigsten direkten Kombination mit Massenspektrometern der Makel einer schwierigen Interpretation der Ergebnisse an; wohl hielten Computersteuerung und Auswertung mittels speziell dafür entwickelter Software ihren Einzug in die Labors. Aber Fragmentierung (thermisch und durch Elektronenstoß-Ionisierung), Hintergrundpeaks (Trägergas, Verunreinigungen), Transportverluste für Probengase (Abstände, Kondensation) führten weiterhin bei manchen Anwendungen zu Schwierigkeiten bei der MS Spektren-Interpretation, insbesondere bei der Untersuchung organischer Proben.

1993 Kopplung mit FT-IR Spektrometer

Die Ausschau nach alternativen Gasanalysemethoden wurde Anfang der 90er Jahre aktuell. So machte ich mich 1992-1993 mit einer Thermowaage auf den Weg zu „Spezialisten“ der FT-IR Gasanalyse (Fourier-Transform-Infrarot-Spektroskopie).

Nach einigen nicht weiterführenden Kontakten mit FT-IR Herstellern machte ich mich mit einem Gerät im Kofferraum meines PKWs auf den Weg: Es ging diesmal nach Karlsruhe zur Firma Bruker. Die neuentwickelte TG 209 war mit kompetenter Unterstützung vom Bruker-Applikationslabor schnell mit dem bereitstehenden FT-IR Gerät mit Gasmesszelle verbunden. Das Ergebnis mehrerer Besuche und Versuche zeigt eine kompakte und gleichzeitig flexible Versuchsanordnung, die alle Vorteile der TG und des FT-IR in optimaler Weise verknüpft.

Schema der TG-FT-IR-Kopplung mit beheizter Transferleitung und beheizter Gasmesszelle von Bruker

Die Kopplung mit FT-IR Geräten der Firma Bruker Optik wurde kontinuierlich auch für die neuen Gerätemodelle bei Bruker und NETZSCH fortgesetzt und angepasst:  PERSEUS®® ist die patentierte Kombination des Bruker ALPHA II, einem kleinen, leistungsstarken FT-IR Spektrometer mit NETZSCH Thermoanalyse-Geräten. TG 209 F1 Libra® und STA 449 F1 /F3 können kostengünstig und platzsparend zu der Perseus Konfiguration ausgebaut werden, wobei Öfen bis 2000 °C auf der STA möglich sind. Flexible Software-Lösungen erlauben eine integrierte Auswertung thermoanalytischer und FT-IR Messergebnisse.

1997 Einführung der PulseTA® zur Kalibrierung von Gasanalysesysteme gekoppelt mit Thermischer Analyse

Mitte der 1990er Jahre entwickelte Dr. Marek Maciejewski am Lehrstuhl Prof. Dr. A. Baiker, Technische Chemie, ETH Zürich, an einer STA 409C mit Kapillarkopplung für das Balzers Massenspektrometer eine Vorrichtung, um genaue Mengen von Kalibriergasen pulsartig in den Probengasstrom einzubringen; daher der Name „PulseTA®“. Mit dieser Online-Kalibrierung wurde es leicht, die Massenspektrometer-Signale für die aus der Probe kommenden Gase, von der Probe adsorbierten Gase und Reaktionsgase zu quantifizieren. Vor allem in der Katalyseforschung bewährt sich die PulseTA®.

Prinzip der Kalibriereinrichtung PulseTA®® für gekoppelte MS und FT-IR Geräte

1999: Beginn einer Reihe von internationalen Konferenzen zur Kopplung von Gasanalysemethoden an Thermoanalysengeräte und ihre Anwendungen:

Die Selber Kopplungstage SKT:

SKT 2001 in Selb, neben den Konferenzvorträgen wurden auch praktische Vorführungen an verschiedenen Thermoanalysegeräten im NETZSCH Applikationslabor durchgeführt (links im Bild: Erwin Kaisersberger)

2003 Einführung des NETZSCH-Massenspektrometers „Aëolos®®

Die starke Abhängigkeit von der Produktpolitik bei Zulieferfirmen und ihren Umfirmierungen, sowie die Gleichstellung mit Konkurrenten beim Bezug von kompakten, mobilen Massenspektrometern veranlasste NETZSCH, ein „eigenes“ Massenspektrometer auf den Markt zu bringen: Das „Aëolos®®“ wurde in Zusammenarbeit mit IPI Bremen entwickelt. Unser Dank gilt im Speziellen Herrn Dr. Adolf Götz, der maßgeblich zum gemeinsamen Erfolg beitrug.  

Das „Aëolos®®“ zeichnet sich durch die integrierte Bauweise mit Pumpen und Elektronik in einem Gehäuse und das optimierte Gaseinlasssystem aus, und ist damit speziell für die Kopplung an gasdichte Thermoanalysengeräte konzipiert. Der Gaseinlass besteht aus einer durchgehend beheizten Kapillare und verzichtet auf eine Blende. Damit wird der sonst häufig auftretende Verschluss der Blende durch Aufdampfen und Kondensation von Zersetzungsprodukten vermieden.

Aëolos®® wurde über die letzten Jahrzehnte weiterentwickelt und zeichnet sich nun in seiner 4. Generation (Aëolos®®Quadro)” durch seine technische Leistungsfähigkeit sowie einer vollständigen Softwareintegration von TGA/STA und MS System aus. Speziell die Softwareintegration ist einmalig auf dem Kopplungsmarkt und ermöglicht die Durchführung jedes relevanten Arbeitsschrittes (Programmierung, Steuerung und Auswertung) einer TGA-MS Kombination mittels einer einzigen Software.

STA-MS Kopplung mit STA 449 Jupiter®® und Aëolos®®-Massenspektrometer und Transferleitung
Gleichzeitiger Anschluss von FT-IR und MS an die TG 209 Iris® mit Probenwechsler

Um die sich ergänzenden Informationen einer Gasanalyse mit dem Massenspektrometer Aëolos®® und dem Bruker FT-IR gleichzeitig nutzen zu können, wurde der beheizte Adapter für die Gasentnahme über dem Ofen sowohl mit einem Anschluss für die MS Kapillare als auch für die FT-IR Transferleitung versehen.

2010 Einführung der GC-MS Kopplung

Die bisher besprochenen Gasanalysemethoden haben in der Kopplung mit Thermoanalysegeräten gemeinsam, dass sie alle Änderungen in der Gaszusammensetzung auf einmal analysieren müssen. In anorganischen Applikationen kann es noch häufiger vorkommen, dass einzelne Gasspezies separat (temperaturabhängig-zeitversetzt) abgespalten werden; in organischen Applikationen, speziell bei der aufkommenden Forschung an Biomasse-Brennstoffen, hat man es dagegen praktisch immer mit größeren flüchtigen Molekülen und gleichzeitigen Abspaltungen von Gasmischungen zu tun. Hier empfiehlt sich eine Zwischenstufe zur zeitlichen Auftrennung von Gasmischungen vor einer Identifizierung mit dem Massenspektrometer. Die Gaschromatographie, bietet eine ideale Möglichkeit für die Separation von Gasmischungen durch Wahl entsprechender Trennsäulen (beschichtete Kapillaren) und Trägergase. Diese Vorteile der Gastrennung wiegen in den meisten Fällen den Nachteil auf, dass damit keine kontinuierliche Betriebsweise wie bei direkt gekoppeltem MS oder FT-IR mehr möglich ist. Das Probengas wird durch die beheizte Transferleitung in eine Ventilbox gesaugt, die Einspritzung in die Trennkapillare des GC erfolgt dann intermittierend durch die programmierbare Ventilschaltung. Die aufgenommenen MS-Spektren der zeitlich getrennt ankommenden Gas-Ionen sind dann meist eindeutig zu interpretieren.

Mit unserem Entwicklungspartner für GC-MS Kopplungen, der Joint Analytical Systems GmbH (JAS) wurde eine beheizbare Ventilschaltung für die Gasentnahmekapillare von der TG/STA angepasst und 2017 zu einer kompakten NETZSCH-Ventilbox weiterentwickelt.

GC-MS Schema für die Kopplung mit TG oder STA, Gaseinleitung bei „sample injection“
GC-MS Kopplung mit beheizter Transferleitung an STA 449 F1 Jupiter®® (mit Probenwechsler)

Kopplungssysteme für nahezu jede Anwendung

In den 60 Jahren seit Bestehen von NETZSCH-Gerätebau GmbH als eigenständiger Geschäftsbereich in der NETZSCH-Gruppe wurden mehr als 50 Jahre dem Thema der Gasdetektion und Gasanalyse gewidmet. Mit dieser langjährigen, schaffensreichen Aktivität erreichte NETZSCH eine hohe und weltweit anerkannte Kompetenz auf diesem wichtigen Marktsektor innerhalb der Thermischen Analyse. Dies ist ein Verdienst vorausschauender Firmenstrategie, und insbesondere auch der vielen Beteiligten in Entwicklung, Technik, Elektronik, Produktion, Applikation und Service. Der Antrieb für Neues, ausgehend von Wünschen oder Forderungen zahlreicher Kunden, hat bei NETZSCH stets einen hohen Stellenwert.

Die realisierten Kopplungslösungen sind untereinander durchaus nicht konkurrierend, sie haben, jede für sich, Vorteile:

  • kontinuierliche und vollständige Gasanalyse direkt am Entstehungsort (temperatur- und zeitgleich) mit dem Skimmersystem,
  • kontinuierliche und vollständige Analyse aller transferierten Gase mit der MS-Kapillarkopplung Aëolos®®/ Quadro,
  • kontinuierlicher Nachweis aller Infrarot-aktiven Gase nach Transfer durch die Kopplungsleitung in die Gasmesszelle mit FTIR, mit Anzeige funktioneller Gruppen,
  • quasikontinuierlicher Nachweis mit sehr guter Identifizierung aller transferierten Gase nach Vortrennung in der GC-Trennkapillare mit dem gekoppelten GC-MS.
Abbildung: Die STA 449 F3 Jupiter®®, ausgestattet mit Doppelhubvorrichtung für zwei Öfen: Der SKIMMER-Ofen erlaubt die direkte Kopplung an ein Massenspektrometer für Emissionsgasanalyse

Ab in die Zukunft: Digitalisierung und Automatisierung

Mit der aktuellen STA und der TG-Perseus sowie dem Aeolos Quadro hat NETZSCH in den letzten Jahren viele Optimierungen hervorgebracht: die vollautomatische PTA Box, GC mit eigener Valvebox und Kopplung zu Jeol sowie den neuen Skimmer.
Auch die Software erfuhr maßgebliche Optimierungen. Zu nennen sind hier beispielsweise die Softwareintegration, die vollständige Integration des Aeloes Quadro, die Steuerung der PTA und GC Ventilbox über die Proteus® Software, die einfache Auswertung von 3D Plots und die Möglichkeit, mit nur einem Klick zur Datenbanksuche zu gelangen. Weitere Verbesserungen sind in Planung.

Mehr zu unseren aktuellen Kopplungssystemen finden Sie auf unserer Website!