Detektion ultra-kleiner Restmassen mittels TG − Die Geschichte von einem kleinen Vogel und einem Elefanten

Applikation aus dem Bereich Pharmazie

Die Thermogravimetrie (TG) ist eine etablierte Methode zur Analyse der Zusammensetzung, z.B. zum Nachweis des Wassergehalts von Hydraten [1]. Die Messung der Restmasse während eines TG-Experiments kann z.B. zur Berechnung des Füllstoffgehalts von Polymerverbindungen oder Kompositen dienen [2, 3]. Eine schwierigere Anwendung ist die Bestimmung kleiner Mengen nicht verdampfender Verunreinigungen, die in flüssigen, verdampfenden Lösungsmitteln wie Aceton, Ethanol oder Wasser vorhanden sind. Diese Technik – bei der die Restmasse als Destillationsrückstand betrachtet werden kann – wurde von J. Wiss et al. unter Verwendung einer NETZSCH STA 449 F1 Jupiter® (siehe Abbildung 1) zur Validierung der Reinigung der Ausstattung pharmazeutischer Produktionsanlagen angewandt [4]. Die Autoren konnten zeigen, dass sich Verunreinigungen mit unterschiedlichen Konzentrationen im Bereich zwischen ca. 5 und 50 ppm zuverlässig nachweisen lassen [4].

1) Simultane Thermoanalyse-Apparatur NETZSCH STA 449 F1 Jupiter®
2) Aluminium-Becher mit einem Volumen von 5 cm3 für TG-Messungen mit der NETZSCH STA

 

Eine Massenkonzentration an Verunreinigungen von z.B. 5 ppm erforderte den Nachweis einer Restmasse von nur 25 μg nach Verdampfen des Lösungsmittels mit einer Masse von 5 g, was der maximalen Einwaage und gleichzeitg dem maximalen dynamischen Wägebereich der STA 449 F1 Jupiter® entspricht. Messungen von solch großen Proben sind möglich, da dieses Gerät mit einem TG-Probenträger und einem Becher mit einem Volumen von 5 cm3 ausgestattet werden kann (siehe Abbildung 2). Dennoch ist eine Massenkonzentration von nur 5 ppm sehr gering. Dies lässt sich anhand eines kleinen Vogels mit einer Masse von 10 g, der auf dem Rücken eines jungen Elefanten mit einer Masse von 2000 kg sitzt, veranschaulichen.

Wiegen wir den kleinen Vogel

Im Allgemeinen bietet die Proteus®-Analysesoftware von NETZSCH, die auch im Rahmen der CFR21 Teil 11-konformen Software Proteus® Protect arbeitet, zwei Möglichkeiten zur Berechnung der Restmasse aus einer TG-Kurve (siehe Abbildung 3). Die erste ist die Standardfunktionalität „Restmasse“, die wie folgt berechnet wird:

wobei m0 die Ausgangsmasse der Probe und Δm der gesamte während des TG-Experiments gemessene Massenverlust ist. Die Funktion Restmasse ist gut geeignet für typische Werte im Prozentbereich. Für viel geringere Restmassen sind m0 und Δm nahezu identisch und zusätzlich müssen beide Werte relativ groß sein (im Bereich weniger Gramm, siehe oben). Besonders für flüssige und stark flüchtige Proben ist die Bestimmung sowohl von m0 und Δm mittels Thermogravimetrie nicht genau genug für eine zuverlässige Berechnung von (m0 – Δm) im Bereich weniger Mikrogramm. Kommen wir auf unseren Vergleich zurück: Es ergibt keinen Sinn, die Masse des Elefanten zusammen mit dem kleinen Vogel zu messen und dann die Masse des Elefanten abzuziehen, um die Masse des Vogels zu erhalten. Der bessere Ansatz ist die Masse des kleinen Vogels separat zu messen. Dank der zweite Funktionalität „Residuum-Wert” können wir das absolute Massensignal mr am Ende der TG-Untersuchung bestimmen, das exakt der Masse des kleinen Vogels entspricht:

Voraussetzung für die Auswertung des hochgenauen Residuum-Wertes ist, dass die Messung mit einem sogenannten Initial Standby, bei dem die Probe eingelegt wird, gestartet, und mit einem Final Standby beendet wird, bei dem der Residuum-Wert ermittelt wird. Die (isothermen) Temperaturen und Gasflussbedingungen müssen während beider Standby-Phasen gleich sein. Weitere Einzelheiten sind im Hilfesystem der Proteus®-Software zu finden. 

Eine weitere Voraussetzung für genaue und reproduzierbare Ergebnisse ist natürlich die geringe Drift der verwendeten Thermoaage: Die NETZSCH STA 449 F1 Jupiter® besticht mit einem Langzeit-Waagendriftwert von weniger als 1 μg pro Stunde.

3) Auswertungen von TG-Kurven in der Proteus®®-Analyse: “Restmasse” und “Residuum-Wert“
4) Zeitabhängige thermogravimetrische Kurven (TG) an Aceton und Temperatur des STA-Ofens. Es sind zwei unterschiedliche Messungen gezeigt, um die Reproduzierbarkeit zu demonstrieren.

Experimentelle Ergebnisse

Abbildung 4 zeigt beispielhaft Messergebnisse, die für kommerziell erhältliches Aceton-Lösungsmittel erzielt wurden. Für diese Untersuchungen wurde die NETZSCH-Thermoanalyse-Apparatur STA 449 F1 Jupiter® mit einem TG-Probenträger und einem Al2O3-Becher ausgestattet; als Spülgas wurde Helium mit einer Durchflussrate von 70 ml/min verwendet. Das in Abbildung 4 gezeigte Temperaturprogramm des Ofens ist exakt das gleiche, wie von J. Wiss et al. [4] verwendet: Bei der Aufheizung bis 50 °C und während des isothermen Segments bei 50 °C verdampft das Aceton-Lösungsmittel vollständig, was an dem bei jeder Messung beobachteten Massenverlust von ca. 1900 mg zu erkennen ist. Danach wurde der Ofen auf 105 °C aufgeheizt und anschließend auf die Anfangstemperatur von 30 °C abgekühlt. Aus dem am Ende der isothermen Phase bei 30 °C automatisch gemessenen Restwerten von 95 μg und 92 μg und den zu Beginn der Messungen automatischen ermittelten Anfangsprobenmassen von 1848 mg und 1913 mg wurden Massenkonzentrationen von 51 ppm und 48 ppm der nicht verdampften Verunreinigungen von der Proteus®-Analysessoftware berechnet.

Zusammenfassung

Diese Ergebnisse zeigen die Anwendung der NETZSCH STA 449 F1 Jupiter® in Kombination mit der intelligenten Proteus®-Software zur genauen Bestimmung von Verunreinigungen in Lösungsmitteln bis in den ppm-Bereich. Diese Applikation wurde im Rahmen einer Validierung der Reinigung der Ausstattung von pharmazeutischen Produktionsanlagen umfassend untersucht [4].

Literatur

  1. [1]
    US Pharma Copeia, chapter 891
  2. [2]
    ASTM E1131 – 08 (Reapproved 2014): Standard Test Method for Compositional Analysis by Thermogravimetry
  3. [3]
    ASTM D6370:19999 (Reapproved 2019): Standard Test Method for Rubber Compositional Analysis by Thermogravimetry (TGA)
  4. [4]
    J. Wiss, J.-L. Schmuck, Cleaning validation using thermogravimetry, Journal of Thermal Analysis and Calorimetry, DOI 10.1007/s10973-010-1144-7