Identifizierung polymorpher Formen von Sorbitol

Einleitung

Sorbitol ist ein in Früchten enthaltener Zuckeralkohol, der häufig als Süßungsmittel in Lebensmitteln verwendet wird. Er kommt in vier wasserfreien kristallinen Phasen plus Hydrat vor. Die PolymorphiePolymorphie ist die Fähigkeit eines festen Materials, verschiedene kristalline Strukturen (Synonym: Formen, Modifikationen) auszubilden.Polymorphie nimmt Einfluss auf die Substanzeigenschaften: Jede Form verhält sich unterschiedlich in Bezug auf Schmelzen und Wasseraufnahme [1].

1) Strukturformel von Sorbitol [2]

Messbedingungen

Eine Sorbitol-Probe (Einwaage: 3,81 mg) von Sigma-Aldrich wurde in einem Concavus®-Tiegel mit der DSC 204 F1 Nevio gemessen. Die erste Aufheizung wurde zwischen -80 °C und 150 °C mit einer Heizrate von 10 K/min durchgeführt. Anschließend wurde die Probe mit 10 K/min abgekühlt und im gleichen Temperaturbereich abermals aufgeheizt. Danach wurde der Tiegel für 24 Stunden bei Raumtemperatur gehalten, bevor die Probe ein drittes Mal zwischen -80 °C und 150 °C unter den gleichen Bedingungen aufgeheizt wurde. Die DSC-Messungen wurden in einer dynamischen Stickstoffatmosphäre durchgeführt.

Zusätzlich wurden PXRD-Messungen an zwei Probenzuständen durchgeführt:

  • Probe im Anlieferungszustand 
  • Probe nach Aufheizung bis 150 °C und 24 Stunden bei Raumtemperatur

Diese Messungen wurden mit dem Bruker D8 Advance Diffraktometer bei der Firma solid-chem GmbH durchgeführt.

Messergebnisse

Abbildung 2 zeigt die DSC-Kurven von Sorbitol während der drei Aufheizungen. Der endotherme Peak in der ersten Aufheizung bei 91 °C ist auf das Schmelzen der Probe zurückzuführen. Diese Temperatur ist typisch für die als Gamma-Form bekannte Modifikation, die für kommerzielle Anwendung durch ihre Stabilität am geeignetsten ist.

Nach der Abkühlung mit 10 K/min konnte in der folgenden zweiten Aufheizung kein Schmelzpeak detektiert werden: Die Probe weist keine kristalline Phase mehr auf und befindet sich in einem amorphen Zustand mit dem Glasübergang bei -1 °C (Mitteltemperatur).

2) DSC-Kurven von Sorbitol im Anlieferungszustand (blau), nach geregelter Abkühlung (pink) und einen Tag bei Raumtemperatur (grün)

Die KristallisationAls Kristallisation bezeichnet man den physikalischen Vorgang der Verhärtung bei der Bildung und beim Wachstum von Kristallen. Bei diesem Prozess wird Kristallisationswärme frei.Kristallisation findet bereits nach einem Tag Lagerung bei Raumtemperatur statt. Die bei 57 °C und 81 °C detektierten Peaks (Peaktemperaturen) belegen jedoch, dass es sich um eine andere kristalline Form handelt als vor der ersten Aufheizung. Diese DSC-Kurve ist typisch für die Modifikation, die man als erstarrte Schmelze bezeichnet. Diese Form ist hygroskopischer als die Gamma-Form. Sie wird jedoch aufgrund ihres transparenten und glasigen Äußeren kommerziell z.B. in der Herstellung von Hartbonbons genutzt.

Die Schmelztemperaturen und SchmelzenthalpienDie Schmelzenthalpie einer Substanz, auch bekannt als latente Wärme, stellt ein Maß der Energiezufuhr dar, typischerweise Wärme, welche notwendig ist, um eine Substanz vom festen in den flüssigen Zustand zu überführen. Der Schmelzpunkt einer Substanz ist die Temperatur, bei der die Substanz von einem festen (kristallinen) in den flüssigen Zustand (isotrope Schmelze) übergeht.Schmelztemperaturen der in dieser Arbeit gemessenen kristallinen Formen werden mit unterschiedlichen Literaturquellen in Tabelle 1 verglichen.

Tabelle 1: Peaktemperaturen der kristallinen Formen: erstarrte Schmelze, “Alpha”, “Gamma” und Glasumwandlungstemperatur der amorphen Form für diese Arbeit und unterschiedliche Quellen.

Form/Temperatur [°C]Diese ArbeitQuelle [1]Quelle [3]Quelle [4]Quelle [5]
Erstarrte Schmelze (1. Peak)56,954,555--
Erstarrte Schmelze (2. Peak)80,570,875--
Alpha-85,98688,5-
Gamma100,498,097100101,7
Amorph-1,3----0,4

Abbildung 3 zeigt die PXRD-Ergebnisse der Probe im Anlieferungszustand (unten) und der Probe nach Aufheizung bis 150 °C, gefolgt von 24 Stunden bei Raumtemperatur (oben). Die zwei Kurven unterscheiden sich signifikant. Die bei der Messung der Probe im Anlieferungszustand detektierten Peaks entsprechen der Gamma-Form von Sorbitol (Abbildung 4).

Gemäß Literatur [1] zeigt Abbildung 6 (Röntgenpulveraufnahme des kristallisierten Schmelzpolymorphs Sorbitol), dass die Kurve nach Aufheizung auf 150 °C und einem Tag bei Raumtemperatur tatsächlich als die erstarrte Schmelze von Sorbitol klassifiziert werden kann.

3) Röntgenpulverdiffraktometeraufnahme: Vergleich von Sorbitol im Anlieferungszusttand (schwarze Kurve) und von Sorbitol nach Aufheizung bis 150 °C, Abkühlen auf Raumtemperatur und 24 Stunden bei Raumtemperatur (rote Kurve).
4) Röntgenpulverdiffraktometeraufnahme: Vergleich von Sorbitol im Anlieferungszustand (oben) und dem Spektrum der Cambridge Structural Database (CSD) von Sorbitol Gamma (unten).

Zusammenfassung

Nur eine einzige Aufheizung mit der DSC 204 F1 Nevio bis in die Schmelze erlaubt durch die Bestimmung der Schmelzpeaktemperatur die Identifizierung der polymorphen Form der gelieferten Sorbitol-Probe. Wird die Schmelze der so bestimmen Gamma-Form mit 10 K/min abgekühlt, findet keine KristallisationAls Kristallisation bezeichnet man den physikalischen Vorgang der Verhärtung bei der Bildung und beim Wachstum von Kristallen. Bei diesem Prozess wird Kristallisationswärme frei.Kristallisation statt, sondern es bildet sich eine amorphe Phase. Diese amorphe Struktur kann bei Raumtemperatur als neue Modifikation kristallisieren, der sogenannten erstarrten Schmelze. Die Ergebnisse wurden durch PXRD-Messungen bestätigt. 

Jede der Sorbitolmodifikationen weist unterschiedliche physikalische Eigenschaften auf, die vor der Verarbeitung charakterisiert werden sollten. Die DSC 204 F1 Nevio liefert dafür die notwendigen Ergenisse einfach, schnell und zuverlässig.

Danksagung

NETZSCH dankt der solid-chem GmbH in Bochum für die Durchführung der PXRD-Messungen und -Auswertungen.

Literatur

  1. [1]
    Polymorphism of Sorbitol, Amale Nezzal, Luc Aerts,Marleen Verspaille, Geert Henderickx, Andreas Redl,Journal of Crystal Growth 311 (2009) 3863-3870
  2. [2]
    https://en.wikipedia.org/wiki/Sorbitol
  3. [3]
    Thermal investigations on the crystallization of sorbitol,J. Sztatisz, S. Gál, L. Fodor and E. Pungor, Journal ofThermal Analysis, Vol. 12 (1977) 351-360
  4. [4]
    http://www.eurofoodwater.eu/pdf/2010/Session1/3_IL2_Mathlouthi.pdf
  5. [5]
    The thermal behaviour of hexitols. Part 1. Vitrificationand crystallization of iditol, mannitol, sorbitol, anddulcitol, M. Siniti, J. Carré, J.M. Létoffé, J.P. Bastide and P.Claudy, Thermochimica Acta, 224 (1993), 97-104