04.05.2022 von Aileen Sammler, Stephan Knappe

60 Jahre NETZSCH-Gerätebau: Die Entwicklung der Dynamischen Differenzkalorimetrie

Die Dynamische Differenzkalorimetrie (DSC) ist die am häufigsten eingesetzte Thermoanalysenmethode. Stephan Knappe ist bereits seit über 31 Jahren für NETZSCH-Gerätebau in Selb tätig. Als „Urgestein“ hat er die Entwicklung der Dynamischen Differenzkalorimetrie (DSC) jahrelang begleitet und fasst die Meilensteine für uns zusammen.

Wir feiern weiter 60 Jahre NETZSCH-Gerätebau GmbH. Nach der Vorstellung des Dilatometers, der STA und Kopplungsgeräte sowie unserer TG dreht sich im Mai alles um die am häufigsten eingesetzte Thermoanalysenmethode, die Dynamische Differenzkalorimetrie (DSC).

Stephan Knappe ist bereits seit über 31 Jahren für NETZSCH-Gerätebau in Selb tätig. Der Diplom-Chemieingenieur studierte Technische Chemie an der Georg-Simon-Ohm-Fachhochschule in Nürnberg und startete im April 1991 als erster Polymerspezialist bei NETZSCH im Applikationslabor. Nach der Trennung vom Hochtemperatur-Applikationslabor wurde er Leiter des neu gegründeten Polymer-Labors und führte zusammen mit den zuständigen Verkäufern zunächst in Deutschland, Österreich und der Schweiz, später in weiteren europäischen Ländern Anwendungsseminare mit Live-Workshops durch. Er durchlief diverse Stationen, unter anderem als Produktmanager für die Geräteserie 200 mit DSC, TG und DMA, Head of Sales & Applications Support weltweit sowie Vertriebsleiter für Südeuropa. Heute betreut er als Vertriebsleiter Westeuropa unseren deutschen Markt, die NETZSCH-Außenstellen in Westeuropa sowie unsere exklusiven Handelsvertretungen.

Als „NETZSCH-Urgestein“ hat Stephan Knappe die Entwicklung der Dynamischen Differenzkalorimetrie (DSC) jahrelang begleitet und fasst die Meilensteine für uns zusammen.

“NETZSCH-Urgestein” Stephan Knappe fasst die Meilensteine in der DSC-Geschichte zusammen

Die wichtigsten DSC-Stationen in der NETZSCH-Historie

Die NETZSCH-Gerätebau GmbH (NGB) war bis Ende der 1980er Jahre ausschließlich auf den Hochtemperatur­bereich fokussiert. Phasenumwandlungen oder die Spezifische Wärme von Keramiken, Glas, Metallen, Mineralien und Baustoffen wurden mit dem im Jahr 1981 entwickelten Dynamischen Differenz-Kalorimeter, engl. Differential Scanning Calorimeter, DSC 444 (Foto 1) bis 1500°C untersucht. Der Kundenkreis bestand zu ca. 80% aus Universitäten und Forschungszentren, vor allem im Heimmarkt Deutschland.

Heat Flux DSC 444 mit Kontrollgerät für Temperatur und Datenerfassung

Mit der Einführung akquirierten DSC 200 (Foto 2) Ende der 1980er Jahre mit Mitas-Software auf MS-DOS-Ebene tastete man sich auf den Tieftemperatursektor von -170°C bis 530°C vor. Kundenanfragen vor allem aus der Kunststoffentwicklung und -verarbeitung konnten nun erstmalig bedient werden, um charakteristische Materialdaten zum z.B. Schmelzen, Kristallisieren oder für den Glasübergang zu erhalten. Der avisierte Erfolg setzte ein, nachdem man die Kooperation mit dem Fachbereich Kunststofftechnik der Fachhochschule Würzburg einging, einen Polymerfachmann einstellte und Seminare mit Workshops im gesamten deutschsprachigen Bereich durchführte.

DSC 200 mit Controller sowie Werbeanzeige in einer Fachzeitschrift aus dem Jahr 1989

Launch der 200er Serie für den Kunststoff- und Gummisektor

1994 konnten wir mit der komplett neu entwickelten Geräteserie 200 (Foto 3) die Familienmitglieder DSC 200, TG 209 und DMA 242 live auf Messen, Konferenzen und Seminare in Europa präsentieren. Alle Geräte liefen auf der damals revolutionären Software-Plattform Windows 3.1. Damit gelang der internationale Durchbruch auf dem Polymergebiet, was sich in der hohen Besucherzahl auf unserem Messestand der Kunststoffmesse K im Jahr 1995 in Düsseldorf und auf der VDI-Automobiltagung in Mannheim im Folgejahr zeigte.

Von links nach rechts: TG 209 mit Temperaturkontrollgerät und Datenerfassung, DSC 200 und DMA 242

Natürlich wurde die Werbetrommel für die neue DSC 200 kräftig gerührt. Sehen Sie hier eine Sammlung verschiedenster Werbeanzeigen für Messen und Fachzeitschriften aus den 90er Jahren.Klicken Sie auf das Bild:

Die Automobilbranche stellte für die neue Niedertemperatur-Geräteserie eine nicht unwesentliche Zielgruppe dar. Entsprechend schrieb NETZSCH bereits umfangreiche Fachartikel für diverse Fachzeitschriften. Lesen Sie hier einen Bericht in der Fachzeitschrift Kunststoffe aus dem Jahre 1995 über die Methoden der thermischen Analyse zur Qualitätssicherung in der Automobilindustrie.

Vorstellung der 200er Geräteserie auf der Automobiltagung 1996: Von links nach rechts DSC 200, TG 209, TMA 202 und DMA 242

Die Marktanforderungen stiegen stetig und parallel zur DSC 200 wurde die DSC 204 Phoenix®® (Foto 5) entwickelt, um den weiteren Temperaturbereich von -180°C bis 700°C abzudecken und höhere Heiz- und Kühlraten zu gewährleisten. Sie wurde 1997 auf der ACHEMA in Frankfurt vorgestellt. Namhafte Kunden aus dem Automobilbereich wie z.B. BMW konnten als Referenz gewonnen werden. In Zusammenarbeit mit dem DLR (Deutsche Luft- und Raumfahrt) konnte im Jahr 2001 der Super-Sensor mit 15-facher Empfindlichkeit für kleinste endotherme und exotherme Effekte eingeführt werden. Seit 1998 ist DSC 204 Phoenix®® als Hochdruck-Version DSC 204 Phoenix®® HP auch heute noch unschlagbar im Einsatz unter verschiedensten Gasatmosphären bei einem Druck bis zu 150 bar. Im Jahr 2000 erhielt NETZSCH für diese Entwicklung den weltweit begehrten R&D100 Award. (Foto 6)

Foto 5: Die DSC 204 Phoenix®® (links) deckte bereits damals einen Temperaturbereich von -180°C bis 700°C ab
Foto 6: Von links nach rechts: Die NETZSCHler Stephan Knappe, Andreas Hartinger, Martin Schmidt und Gerhard Bräuer nehmen im Jahr 2000 den begehrten R&D100 Award für die Entwicklung der DSC 204 HP Phoenix®® entgegen

Höher, Schneller, Weiter

Im Jahr 2000 wurde der DSC 200-Nachfolger, die DSC 200 PC Phox® (Foto 7) gelauncht, die damals als robustes und preisgünstiges Einstiegsgerät galt.

Foto 7: DSC 200 PC Phox®

2003 erzielten wir mit der bis heute erhältlichen DSC 204 F1 Phoenix®® (Foto 8) große Erfolge v.a. in China und den USA. F1 steht bei NETZSCH für Formel 1 – also höher, schneller, weiter. Hier konnten Kunden v.a. aus Forschung & Entwicklung nicht nur für Polymere überzeugt werden, sondern auch für Pharmazeutika, Kosmetika und Lebensmittel. In 2005 brachten wir die kleinere Schwester, die DSC 200 F3 Maia (Foto 9) auf den Markt. Als Arbeitspferd wurde sie bevorzugt für die Qualitätskontrolle und -sicherung eingesetzt. Für den asiatischen Markt wurde zudem die DSC 3500 Sirius® mit kleiner Stellfläche (Foto 10) von NETZSCH Japan (NJA) gebaut. Seit 2019 wird sie bei NETZSCH in Selb für den Weltmarkt hergestellt.

Fotos 8 und 9: DSC 204 F1 Phoenix®® und ihre kleine Schwester DSC 200 F3 Maia®
Foto 10: Die DSC 3500 Sirius® mit Silberofen bis 600 °C

Der bislang größte Wurf auf dem DSC-Sektor gelang mit dem Launch der DSC 214 Polyma® (Foto 11), auf der Messe K 2013.

Sie ermöglichte die für Wärmestrom-DSCs bis dato nicht realisierbaren hohen Heiz- und Kühlraten. Die Kombination aus dem komplett neu entwickelten System aus Ofen, Sensor und Tiegel wurde patentiert. Zudem war das gesamte DSC-Konzept revolutionär: beginnend mit der Probenvorbereitung mit umfangreichem Zubehör, vordefinierten Messmethoden, automatischer Kalibrierung bis zu vollautomatischen Auswerte-Algorithmen per Mausklick. Darüber hinaus gelang es mit der einzigartigen Software Identify unbekannte Polymere oder Blends über Ähnlichkeitsmerkmale der gesamten DSC-Kurve mit einer Datenbank zu vergleichen. Diese Proteus®®-Software stellt heute die Basis für weitere Messmethoden der gesamten NETZSCH-Gerätefamilie dar.

Foto 11: Die DSC 214 Polyma® mit Proteus®®-Software revolutionierte die DSC-Welt

Die DSC 214 gibt es auch als Nevio® für die pharmazeutische Industrie. Zusammen mit der zugehörigen Proteus®® Protect-Software erfüllt sie die Anforderungen von 21 CFR Part 11 (Vorschriften der US-amerikanischen Food and Drug Administration für elektronische Aufzeichnungen und elektronische Signaturen).

Sehen Sie hier ein Kurzvideo zur DSC 214 Nevio®, das die Highlights dieses Geräts zusammenfasst:

Bitte akzeptieren Sie Marketing-Cookies um das Video anzuschauen.

Selbstverständlich können heute alle NETZSCH DSC-Geräte mit automatischen Probenwechslern für bis zu 204 Proben angeboten werden.

Verschiedenste Kühlsysteme mit flüssigem Stickstoff, Intracooler oder Luftkompressor decken unterschiedliche Temperaturbereiche, zugeschnitten auf den erforderlichen Einsatzbereich des Kunden, ab. Die DSCs sind auch erweiterbar mit UV-Lichtlampe als Photo-DSC für z.B. UV-Aushärtungen reaktiver Harzsysteme.

Foto: Für DSC-Messungen stehen je nach Applikation unter anderem verschiedenste austauschbare Sensoren zur Verfügung.

Werfen Sie gern einen Blick in unseren umfangreichen Zubehörkatalog.

Heute liefert unsere umfassende DSC-Produktpalette mit umfangreicher Software die höchsten Stückzahlen an NETZSCH-Geräten für Thermische Analyse.

Lesen Sie in den kommenden Wochen, wie die DSC bei der Charakterisierung pharmazeutischer Wirkstoffe sowie in der Qualitätssicherung und Entwicklung von Dichtungen unterstützt. Und freuen Sie sich außerdem auf die Präsentation unserer jüngsten Entwicklung in der thermischen Analyse!

Übrigens: Sind Sie schon angemeldet für unsere NETZSCH FutureDays?

Vom 16. bis 19. Mai 2022 finden die ersten digitalen NETZSCH Future Days finden statt. Sie beleuchten aktuelle und zukünftige Trends aus den Bereichen Pharma & Life Science, Battery & Isolation, Smart Manufacturing & Smart Labs sowie Additive & Advanced Manufacturing.