Einfluss der Abkühlrate auf das thermische Verhalten von PET

Von der Abkühlrate bis zur Kristallinität

Teilkristalline Polymere enthalten sowohl eine kristalline als auch amorphe Phase. Der Kristallinitätsgrad hängt von ihrer Struktur ab: Eine lineare Polymerkette kristallisiert leichter als ein verzweigtes Polymer. Selbst bei linearen Polymeren, die aus identischen Monomeren bestehen, gibt es Unterschiede in der Kristallisationsfähigkeit, die von der Taktizität und dem Molekulargewicht des Materials abhängen. Während ein ataktisches Polymer (bei dem die Seitengruppen zufällig entlang des Kohlenstoffgerüsts angeordnet sind) nicht kristallisiert und somit nur als amorphes Material existiert, kann das syndiotaktische Gegenstück (bei dem die Position der Seitengruppen wechselt) zumindest teilweise kristallisieren und ist in der Regel ein teilkristallines Material. [1, 2]

Der Kristallisationsgrad hängt nicht nur von der Art des Polymers ab, sondern auch von den Verarbeitungsbedingungen, z.B. von der Kristallisationstemperatur und der Abkühlrate. Während sehr niedrige Abkühlraten den Polymerketten nicht genug Zeit lassen, sich umzuordnen und Kristalle, sogenannte Sphärolite, zu bilden, ist ein abgeschrecktes Polymer in der Regel amorph, d.h. seine Ketten sind nicht geordnet.

Von der Kristallinität bis zu den Polymereigenschaften

Sind Kristallinitätsgrad und somit die Verarbeitungsbedingungen wichtig? Die Antwort lautet ja, denn der Kristallinitätsgrad und die Eigenschaften sind eng miteinander verbunden. Je höher der Kristallinitätsgrad eines teilkristallinen Materials ist, desto steifer und weniger hygroskopisch ist es – um nur eine mechanische und eine chemische Eigenschaft zu nennen.

Amorphe und kristalline Phase: Einfluss der Abkühlrate

Im Folgenden wird der Einfluss der Abkühlrate auf die thermischen Eigenschaften eines teilkristallinen Polymers untersucht.

Dafür wurden acht Proben aus einem PET-Granulat vorbereitet und mit dem dynamischen Differenz-Kalorimeter 300 Caliris® gemessen. Bis auf die Abkühlrate wurden sie exakt den gleichen Bedingungen unterzogen. 

  • Die erste Aufheizung bis zur Schmelzpeaktemperatur wurde zur Eliminierung der thermischen Vorgeschichte der Probe durchgeführt. 
  • Durch Abkühlung mit unterschiedlichen nominellen Abkühraten wurde eine neue thermische Vorgeschichte erstellt, die nur von den Abkühlbedingungen abhängig war. 
  • Die Messungen der zweiten Aufheizung an den Proben, erhalten durch die verschiedenen Abkühlungen, werden miteinander verglichen, um Kenntnisse über die kristallinen und amorphen Anteile zu erhalten.

Tabelle 1 fasst die Messbedingungen zusammen.

Tabelle 1: Bedingungen der am PET-Granulat durchgeführten DSC-Messungen

Gerät

DSC 300 Caliris®Select, P-Modul

Probeneinwaage [mg]2,882,882,872,862,852,832,802,78
Tiegel

Concavus® (Aluminium) mit gelochtem Deckel

Atmosphäre

Stickstoff (40 ml/min)

Temperaturbereich

0 °C ... 275 °C

1. Heizrate [K/min]

10

Nominelle Abkühlrate vor der 2. Aufheizung [K/min]0,515102050100200
2. Aufheizung [K/min] 

10

Typische DSC-Messung an PET

Abbildung 1 zeigt die Ergebnisse der Messung, die mit einer Aufheizrate von 10 K/min durchgeführt wurde.

1. Aufheizung (blaue Kurve): Die bei 78 °C (Midpoint) detektierte Stufe in der DSC-Kurve ist auf den Glasübergang von PET zurückzuführen. Er wird von einem Relaxationspeak bei 81°C (Peaktemperatur) überlagert, der von der Freisetzung der mechanischen Spannungen herrührt. Der exotherme Peak mit einem Minimum bei 133 °C und einer Schulter bei 147 °C (Onsettemperatur) ist auf die Nachkristallisation (Kaltkristallisation)Bei der Nachkristallisation handelt es sich um eine Veränderung der physikalischen Struktur, die zur Erhöhung des Kristallisationsgrades und der Lamellendicke sowie zur Vervollkommnung der Kristallstruktur führt.Kaltkristallisation des Materials zurückzuführen. Bei Temperaturen oberhalb des Glasübergangs können sich die Polymerketten jetzt frei bewegen und sind in der Lage, bei weiterer Aufheizung zu kristallisieren. Dieses Verhalten ist typisch für PET mit hohem amorphem Anteil. Der bei 250 °C detektierte Peak ist auf das Schmelzen der kristallinen Phase zurückzuführen.

Abkühlung (pinke Kurve): Die Probe kristallisiert, wie aus dem exothermen Peak bei 173 °C (Peaktemperatur) ersichtlich ist. Die Stufe in der DSC-Kurve mit dem bei 78 °C gemessenen Midpoint ist typisch für den Glasübergang, bei dem PET von einem gummiartigen Zustand in einen glasartigen Zustand übergeht.

2. Aufheizung (grüne Kurve): Die Aufheizung oberhalb der GlasübergangstemperaturDer Glasübergang gilt als eine der wichtigsten Eigenschaften amorpher und teilkristalliner Materialien, wie z.B. anorganische Gläser, amorphe Metalle, Polymere, Pharmazeutika und Lebensmittel, usw., und bezeichnet den Temperaturbereich, in dem sich die mechanischen Eigenschaften des Material von einem harten und spröden Zustand in einen weicheren, verformbaren oder gummiartigen Zustand ändern.Glasübergangstemperatur führt zu einer Änderung der spezifischen Wärme bei 81 °C. Die cp-Änderung ist geringer als bei der ersten Aufheizung (0,12 gegen 0,38 J/(g·K)). Dies bedeutet, dass das beim Abkühlen mit 10 K/min aufgebaute Polymer weniger amorph ist als das ursprüngliche Material. Eine weitere Aufheizung führt zum Schmelzen der kristallinen Phase, was durch den endothermen Peak bei 248°C (Peaktemperatur) deutlich wird.

1) DSC-Messungen an PET während des Aufheizens und Abkühlens

Von niedrigen bis zu hohen Abkühlraten

In Abbildung 2 ist die zweite Aufheizung aller Messungen dargestellt. Für eine anschaulichere Darstellung sind in der Messgrafik nur zwei Kurven ausgewertet; alle Ergebnisse enthält Tabelle 2.

Einfluss der Abkühlrate auf den Glasübergang: Je höher die Abkühlrate, desto höher ist die Glasübergangsstufe der nachfolgenden Aufheizung, d.h. desto höher ist die sich bildende amorphe Phase. Dies ist einfach dadurch zu erklären, dass die Polymerketten während der schnellen Abkühlung nicht genügend Zeit haben zu kristallisieren.

Einfluss der Abkühlrate auf die Nachkristallisation (Kaltkristallisation)Bei der Nachkristallisation handelt es sich um eine Veränderung der physikalischen Struktur, die zur Erhöhung des Kristallisationsgrades und der Lamellendicke sowie zur Vervollkommnung der Kristallstruktur führt.Kaltkristallisation: Bei den langsam abgekühlten Proben (0,5, 1, 5 und 10 K/min) wird kein Kaltkristallisationspeak detektiert, da die KristallisationAls Kristallisation bezeichnet man den physikalischen Vorgang der Verhärtung bei der Bildung und beim Wachstum von Kristallen. Bei diesem Prozess wird Kristallisationswärme frei.Kristallisation bereits während der Abkühlung stattgefunden hat. Bei den Kurven, die der Aufheizung nach der Abkühlung bei 20, 50, 100 und 200 K/min entsprechen, steigt die Enthalpie des Kaltkristallisationspeaks mit zunehmender Abkühlrate der vorherigen Abkühlung.

Einfluss der Abkühlrate auf das Schmelzen: Schließlich schmelzen alle Proben bei 247 °C bis 248 °C (Peaktemperatur), mit Ausnahme des PET, das mit 0,5 und 1 K/min abgekühlt wurde. Hier tritt der Schmelzpeak bei niedrigerer Temperatur auf. Dies könnte auf einen Abbauprozess zurückzuführen sein, der möglicherweise bei den niedrigen Abkühlungsraten auftritt, weil das Polymer länger bei hohen Temperaturen verweilt. Eine weitere Erklärung ist, dass PET mit zwei unterschiedlichen Verteilungen der Lamellendicke kristallisiert, wobei jede Verteilung ihre eigene Schmelztemperaturen und SchmelzenthalpienDie Schmelzenthalpie einer Substanz, auch bekannt als latente Wärme, stellt ein Maß der Energiezufuhr dar, typischerweise Wärme, welche notwendig ist, um eine Substanz vom festen in den flüssigen Zustand zu überführen. Der Schmelzpunkt einer Substanz ist die Temperatur, bei der die Substanz von einem festen (kristallinen) in den flüssigen Zustand (isotrope Schmelze) übergeht.Schmelztemperatur aufweist [3]. Bereits bei der nach der Abkühlung mit 5 K/min durchgeführten Messung wird der Schmelzpeak von PET bei 247 °C festgestellt, er zeigt jedoch auch eine Schulter bei 233 °C, die vermutlich mit der KristallisationAls Kristallisation bezeichnet man den physikalischen Vorgang der Verhärtung bei der Bildung und beim Wachstum von Kristallen. Bei diesem Prozess wird Kristallisationswärme frei.Kristallisation dieser zweiten Verteilung zusammenhängt.

2) DSC-Messungen an Proben, entnommen aus einem PET-Granulat, während der Aufheizungen nach vorherigen Abkühlungen bei unterschiedlichen nominellen Raten zwischen 0,5 und 200 K/min

Tabelle 2: Auswertung der Aufheizung (PET-Granulat)

Nominelle Kühlrate

Glasübergang

Kristallisationspeak

Schmelzpeak

TemperaturΔcpTemperaturEnthalpieTemperaturEnthalpie
K/min°CJ/(g•K)°CJ/g°CJ/g
0,5800,12--23949
1780,12--24150
5820,12--247 (233*)44
10810,12--24842
20790,191451124838
50780,291483024838
100780,311503324838
200780,301483524738

* Die 2. Abbildung (in Klammern) bezieht sich auf die Temperatur der in der Messung auftretenden Schulter, erhalten nach einer Abkühlrate von 5 K/min.

Bemerkung: Die gleichen Versuche wurden an einem weiteren PET-Material durchgeführt, das von einer PET-Flasche stammt. Tabelle 3 fasst die Messbedingungen zusammen.

Abbildung 3 zeigt die Messkurven. Sie belegen, dass der Einfluss der Abkühlrate auf die Kristallinität des Materials dem des PET-Granulats ähnlich ist. Je höher die Abkühlrate, desto höher sind Glasübergangsstufe und Nachkristallisationspeak, d. h. desto größer ist die amorphe Phase. Auch der Schmelzpeak ist bei den Messungen nach langsamer Abkühlung zu niedrigeren Temperaturen hin verschoben, was auch hier bedeutet, dass entweder unterschiedliche Verteilungen der Lamellendicke oder ein Abbauprozess vorliegen. Der Vergleich mit den bisherigen Messungen zeigt jedoch deutlich, dass PET-Materialien unterschiedlicher Herkunft auch ein unterschiedliches thermisches Verhalten aufweisen können. So wird beispielsweise bei allen Messungen an den Proben, entnommen aus der PET-Flasche, eine höhere Nachkristallisationspeaktemperatur festgestellt als bei dem unverarbeiteten PET-Granulat.

3) 2. Aufheizkurve der einer PET-Flasche entnommenen Proben, nach einem Abkühlsegment bei unterschiedlichen nominellen Raten zwischen 0,5 und 200 K/min

Tabelle 3: Messbedingungen für die der PET-Flasche entommenen Proben

Gerät

DSC 300 Caliris®Select, P-Modul

Probeneinwaage [mg]2,652,632,602,532,532,522,522,52
Tiegel

Concavus® (Aluminium) mit gelochtem Deckel

Atmosphäre

Stickstoff (40 ml/min)

Temperaturbereich

0 °C ... 275 °C

1. Aufheizrate [K/min]

10

Nominelle Abkühlrate vor der 2. Aufheizung [K/min]0,515102050100200
2. Aufheizrate [K/min]

10

Fazit

Der Einfluss der Abkühlrate auf die thermischen Eigenschaften eines PET-Materials wurde mit Hilfe von DSC-Messungen ermittelt. Je höher die Abkühlrate, desto weniger Zeit haben die Polymerketten zu kristallisieren, und desto höher ist die amorphe Phase. Dies führt zu einer höheren Glasübergangsstufe bei der anschließenden Aufheizung. Wird die Aufheizung oberhalb des Glasübergangs fortgesetzt, können sich die in der amorphen Phase vorhandenen Ketten bewegen und neu anordnen, um Sphärolithe zu bilden. Dies führt zu einer Kaltkristallisation, deren Enthalpie umso höher ist, je höher die Abkühlrate der vorangegangenen Messung war. Schließlich ist der Schmelzpeak der kristallisierten Phase bei den langsamsten Abkühlraten zu einer niedrigeren Temperatur verschoben. Eine erste Erklärung hierfür ist das Vorhandensein verschiedener kristalliner Bereiche, deren Bildung von der vorherigen Abkühlrate abhängt. Eine zweite Erklärung hängt mit einem Abbauprozess zusammen.

Literatur

  1. [1]
    Crystallization Behavior of PET Materials, Bilal DEMİREL, Ali YARAȘ, Hüseyin ELÇİÇEK, BAÜ Fen Bil. Enst. Dergisi Cilt 13(1) 26-35 (2011)
  2. [2]
    CRYSTALLIZATION BEHAVIOR OF POLYMERS, Crystallization (polymerdatabase.com)
  3. [3]
    Multiple melting behaviour of poly(ethylene terephthalate) Y. Kong, J.N. Hay, Polymer 44 (2003) 623–633