Warum Maschinenstillstandszeiten beim Arbeiten mit POM entscheidend sind

Einleitung

Spritzgießen ist eines der schnellsten Verfahren für die Großserienfertigung. Mit Zykluszeiten im Bereich von Millisekunden kann eine große Anzahl von Teilen in kurzer Zeit hergestellt werden. Die Zykluszeit ist jedoch nicht nur für die Rentabilität der Teileproduktion wichtig, sondern auch, um einen Abbau des Materials in der Spritzgießmaschine zu vermeiden. Ist die Verweildauer in der Maschine zu lang, kommt es zum Materialabbau, was nicht nur Auswirkungen auf das optische Erscheinungsbild, sondern auch auf die mechanischen Eigenschaften hat. Des Weiteren können lange Stillstandzeiten in bestimmten Polymeren zur Bildung von Gasen führen, die für den Anwender oder die Umwelt schädlich sein können.

Zu diesen Materialien gehört Polyoxymethylen (POM), das in hohem Maß in der Automobil- und Unterhaltungselektronikindustrie eingesetzt wird. Seine Steifigkeit, Härte und Zähigkeit zusammen mit den hervorragenden Gleit- und Reibungseigenschaften machen es zu einem geeigneten Material für viele technische Anwendungen. Zudem zeichnet es sich durch gute chemische Beständigkeit und elektrische Isoliereigenschaften aus. Es ist der Werkstoff für mechanische Getriebe, Gleit- und Führungselemente, Gehäuseteile, Schrauben, Isolatoren und Spulen. Einige Typen wurden von der FDA (United States Food and Drug Administration) zur Verwendung in Milchpumpen und Filtergehäusen zugelassen.

Falls POM über längere Zeit bei Verarbeitungstemperaturen gehalten wird, z.B. bei einem Maschinenstillstand von 30 Minuten, gibt das Material Formaldehyd ab. Daher sollte die Temperatur der Schnecke erniedrigt werden, sobald sich abzeichnet, dass der Fehler erst nach einiger Zeit behoben werden kann. Die Freisetzung von Formaldehyd und dessen Zeitabhängigkeit lässt sich mit Hilfe einer TG-FT-IR-Analyse bestimmen, die die Untersuchung des Abbaus in Form von Massenverlust und die anschließende Analyse der freigesetzten Gase ermöglicht.

Analyse von Formaldehyd-Spuren in POM mittels TG-FT-IR

Für diese Studie wurden zwei POM-Materialien mit ähnlichem Fließverhalten (beides mittelviskose Spritzgießtypen) und ähnlichen physikalischen Eigenschaften ausgewählt. Beide erfüllen die RoHS-Normen, jedoch hat nur POM1 eine FDA-Zulassung (Tabelle 1).

Tabelle 1: Untersuchte Materialien

Name

Eigenschaften

MFI [g/10 min]

ISO 1133

RoHS-konform

FDA-zugelassen

POM1

Hohe Steifigkeit, Härte, Zähigkeit,

gute chemische Beständigkeit,

Spritzgießtyp

9JaJa
POM2

Hohe Steifigkeit, Härte, Zähigkeit,

Beständigkeit gegen Alkalien und

organische Chemikalien,

Spritzgießtyp

10JaNein

Die Proben mit eine Einwaage von ca. 70 mg wurden mit der NETZSCH PERSEUS® TG 209 F1 Libra® mit einer schnellen Aufheizrate von 80 K/min von 25 °C bis 210 °C in Stickstoffatmosphäre aufgeheizt. Aufgrund der erwarteten geringen Massenverluste wurde eine höhere Probenmasse gewählt, um diese eindeutig zu charakterisieren. Die Temperatur wurde dann für mindestens 30 Minuten konstant gehalten, um Massenänderungen in den Materialien zu beobachten.

Abbildung 1 zeigt die TG-Kurven der beiden unterschiedlichen POM-Qualitäten bei 210 °C in Abhängigkeit von der Zeit. Auf der Y-Achse ist der Massenverlust in % zu sehen. Es ist ersichtlich, dass der Massenverlust von POM2 geringfügig höher als für POM1 ist.

1) TG-Kurven der untersuchten POM-Qualitäten in Zusammenhang mit den Spuren von Wasser und Formaldehyd
2) FT-IR-Spektren von POM1 (grün) und POM2 (blau) bei 4 min im Vergleich zum Bibliotheksspektrum von Formaldehyd (pink) und Wasser (schwarz)

Abbildung 2 zeigt die gemessenen FT-IR-Spektren beider POM-Qualitäten bei 4 min im Vergleich zu den Gasphasen-Spektren von Formaldehydgas (pink) und Wasser (schwarz). Es kann beobachtet werden, dass POM1 nur Wasser freisetzt, während POM2 während der Temperaturbehandlung Formaldehyd und Wasser abgibt. Zur Erstellung der in Abbildung 1 dargestellten zeitabhängigen Spuren wurden die farbigen Flächen von Abbildung 2 als integrale Bereiche für Formaldehyd (3170 cm-1 - 2462 cm-1) und Wasser (4168 cm-1 - 3353 cm-1) herangezogen. Der Beginn der Freisetzung von Formaldehyde lässt sich auf 2 min und 118 ° C abschätzen.

Wie korreliert die Labormessung mit der Verarbeitung?

Beide POM-Qualitäten werden bei 210 °C verarbeitet. Die hier gezeigten Ergebnisse deuten darauf hin, dass sich POM2 schon nach einigen Minuten Verweilzeit Formaldehyd freisetzt. Deshalb sollte die Temperatur der Schnecke vorsorglich gesenkt werden. Dies ist zum einen sinnvoll, weil es nicht immer sofort klar ist, wie lange die Fehlerbehebung dauern wird und zum anderen weil das Abkühlen der Schmelze einige Minuten in Anspruch nimmt.

Des Weiteren ist zu erkennen, dass zwar beide Typen RoHS-konform sind, jedoch nur das FDA-zugelassene POM keine messbaren Mengen an Formaldehyd freisetzt.