Über die thermische Stabilität von Glycerin - Untersuchungen von hochsiedenden organischen Substanzen mittels TG-FT-IR

Einleitung

Glycerin ist ein einfaches Triol, das 1779 erstmals von Carl Wilhelm Scheele isoliert wurde. Ab diesem Zeitpunkt begann eine große Erfolgsgeschichte. Heutzutage wird es in Kosmetik, Medizinprodukten, Schuhcreme, Frostschutzmitteln, Tierfutter, Tabak für Wasserpfeifen und Lebensmitteln verwendet. Es gibt nur sehr wenige Rohstoffe, die so vielseitig sind wie Glycerin. 

Sogar aktuelle Forschungsaktivitäten aus dem Gebiet der Lithium-Ionen-Batterien zeigten, dass Glycerin ein wichtiger Binderzusatz ist, der die Lithium-Ionen-Diffusion an der niederohmigen Graphit-Anoden-Grenzfläche erleichtert und die Hochgeschwindigkeitsfähigkeit erhöht [1].

Bei diesen weit verbreiteten Anwendungsgebieten stellt sich immer wieder die Frage nach der thermischen Stabilität von Glycerin und den Gasen, die bei einer Temperaturbehandlung entstehen können.

Experimentelles

Dies ist eine leichte Aufgabe für das TG-FT-IR-Kopplungssystem. Der aktuelle Kopplungsaufbau ermöglicht signifikant höhere Transfertemperatur von 370 °C mit der TGA II Gaszelle am Bruker Invenio Spektrometer, dem Kopplungsadapter an der Thermowaage TG 209 F1 Libra® und der Transferleitung mit einer Metallkapillare im Inneren (Abbildung 1).

1) Bruker INVENIO mit externer Gaszelle, gekoppelt an die NETZSCH TG 209 F1 Libra®

Messergebnisse

Das Erhitzen von 15 mg Glycerin in einem offenen Al2O3-Tiegel in reiner Stickstoffatmosphäre mit 10 K/min führt zur vollständigen Verflüchtigung bis 300 °C. Der extrapolierte Onset wurde bei 199 °C detektiert. Der Peak in der Massenverlustrate (DTG, schwarz) wurde bei 239 °C gefunden, siehe Abbildung 2. Dies korrespondiert gut mit dem Peak in der Gram-Schmidt-Kurve. Die Gram-Schmidt-Kurve zeigt die gesamte IR-Absorptionsintensität und beweist die Freisetzung von IR-aktiven Gasen. Dieser Plot zeigt bereits den perfekten Transfer der freigesetzten Gase zum Gasanalysator ohne Tailing oder Verzögerung. 

Für einen detaillierten Einblick in den Prozess, der während der Verflüchtigung auftritt, ist es notwendig, die erhaltenen FT-IR-Daten zu analysieren. Abbildung 3 zeigt die vollständigen FT-IR-Daten in einem temperaturskalierten 3D-Plot.

2) Temperaturabhängige Massenänderung (TG, grün), Massenänderungsrate (DTG, schwarz) und Gram-Schmidt Kurve (violett) von Glycerin.
3) Temperaturabhängiger 3D-Plot aller detektierter IR-Spektren von Glycerin in Stickstoff-atmosphäre, TG-Kurve auf der Rückseite in Rot.

Auch dieses Diagramm zeigt die gute Korrelation von FT-IR-Intensitätszunahme und Massenverlust. Der Vergleich der gemessenen FTIR-Spektren bei jeder Temperatur mit der NIST-Gasphasenspektrenbibliothek ermöglicht die Identifizierung der freigesetzten Gase. Abbildung 4 zeigt eine gute Korrelation des gemessenen Spektrums bei 234 °C in Stickstoffatmosphäre mit dem Bibliotheksspektrum von Glycerin. Dies beweist, dass Glycerin unter Ausschluss von Sauerstoff hauptsächlich einem Verdampfungsprozess unterliegt, da es sich als ein vollständiges Molekül verflüchtigt. 

Der Versuch wurde unter oxidierenden Bedingungen wiederholt. Die resultierenden FT-IR-Daten sind in Abbildung 5 zu sehen.

4) Gemessenes IR-Spektrum von Glycerin bei 234 °C (rot) in Stickstoff verglichen mit dem Bibliotheksspektrum von Glycerin (blau)
5) 3D-Plot aller detektierter IR-Spektren von Glycerin in sauerstoffhaltiger Atmosphäre, TG-Kurve auf der Rückseite in Rot.
6) Gemessenes IR-Spektrum von Glycerin bei 241 °C (rot) in sauerstoffhaltiger Atmosphäre verglichen mit dem Bibliotheksspektrum von Acetaldehyd (grün)

Hier wurde ein völlig anderes FT-IR-Muster detektiert. Der Vergleich mit der Spektrenbibliothek zeigte eine hohe Ähnlichkeit mit Wasser, Kohlendioxid, Kohlenmonoxid, Acetaldehyd und zu einem geringen Anteil mit reinem Glycerin (Abbildung 6). Dabei zerfällt Glycerin in verschiedene Produkte, einmal sogar gesundheitsschädlich wie Acetaldehyd und CO. Dieses Verhalten macht deutlich, dass die verwendete Gasatmosphäre einen erheblichen Einfluss auf die Thermische StabilitätEin Material ist thermisch stabil, wenn es sich unter Temperatureinfluss nicht zersetzt. Eine Möglichkeit, die thermische Stabilität einer Substanz zu bestimmen ist die Verwendung eines TGA (thermogravimetrischer Analysator).thermische Stabilität von Glycerin hat.

Fazit

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass die Kopplung der NETZSCH TG 209 F1 Libra® mit dem BRUKER FT-IR INVENIO mit einer Transfertemperatur von 370 °C eine schnelle und vollständige Übertragung der entwickelten Gase zum Spektrometer und deren Identifizierung ermöglicht. Mit diesem System kann zwischen VerdampfungVerdampfung beschreibt die Phasenumwandlung eines Stoffes von der flüssigen in die gasförmige Phase. Beim Verdampfen eines Stoffes unterscheidet man grundsätzlich zwei Formen, Sieden und Verdunstung.Verdampfung und Zersetzung hochsiedender organischer Stoffe, wie im vorliegenden Beispiel anhand von Glycerin, unterschieden werden.

Literatur

  1. [1]
    Glycerol as a Binder Additive for Low-Resistance Graphite Anodes in Lithium-Ion Batteries Kiho Park et al 2022 J. Electrochem. Soc. 169 040558