Einleitung
Die Speicherung von Wasserstoff in kryogenen Tanks erfordert Materialien, die extrem niedrigen Temperaturen standhalten können. Kohlenstofffaserverstärkte Verbundwerkstoffe (CFK) mit Epoxidharzen als Matrixmaterial sind eine vielversprechende Lösung, um nötige Leichtbau-Anforderungen in der Luft- und Raumfahrt als auch im Automobilbereich zu realisieren. Um diese Materialien optimal zu entwickeln, ist die dynamischmechanische thermische Analyse (DMA) ein unverzichtbares Werkzeug. Diese Application Note erklärt, wie die DMA zur Bewertung und Optimierung von Epoxidharzformulierungen für kryogene Anwendungen eingesetzt wird, und präsentiert die Ergebnisse einer aktuellen Dissertation der Universität Bayreuth am Lehrstuhl Polymer Engineering, die sich mit diesem Thema befasst (https://www.polymer-engineering.de/ und auf LinkedIn: https://www.linkedin.com/company/ped---polymer-engineering/).
Methoden und Materialien
Die dynamisch-mechanische thermische Analyse (DMA) wurde verwendet, um die viskoelastischen Eigenschaften der Harzformulierungen über einen weiten Temperaturbereich bis zu tiefen Temperaturen zu messen. Die folgenden viskoelastischen Parameter wurden erfasst:
- Speichermodul (E'): Ein Maß für die elastische Steifigkeit des Materials.
- Verlustmodul (E"): Ein Maß für die Energieverluste durch innere Reibung und Dämpfung.
- Tan δ: Das Verhältnis von Verlustmodul zu Speichermodul, ein Maß für die Dämpfungseigenschaften des Materials.
- GlasübergangstemperaturDer Glasübergang gilt als eine der wichtigsten Eigenschaften amorpher und teilkristalliner Materialien, wie z.B. anorganische Gläser, amorphe Metalle, Polymere, Pharmazeutika und Lebensmittel, usw., und bezeichnet den Temperaturbereich, in dem sich die mechanischen Eigenschaften des Material von einem harten und spröden Zustand in einen weicheren, verformbaren oder gummiartigen Zustand ändern.Glasübergangstemperatur (Tg/Tα): Der Temperaturbereich, bei dem das Material vollständig von einem glasartigen in einen gummiartigen Zustand übergeht.
- Die Sub-Glasübergangstemperatur Tβ und Tγ: Temperaturbereiche, in denen einzelne Sektionen im Polymernetzwerk ihre Beweglichkeit verändern und bei tiefen Temperaturen von energie-elastischem in ein viskoelastisches Verhalten übergehen.
Alle Messungen wurden mit einem NETZSCH DMA Eplexor® 500 im Temperaturbereich von -140 °C bis 300 °C durchgeführt.
Verwendete Epoxidharze:
- EP1: Standard-Epoxidharz basierend auf Diglycidylether von Bisphenol A (DGEBA) mit Polyetheramin PEA als Härter. Diese Kombination dient als Referenzmaterial ohne zusätzliche Modifikationen.
- EP2: DGEBA-Harz mit Dicyandiamid-Härter DICY mit Urea Beschleuniger
- EP3: DGEBA-Harz mit Isophorondiamin IPDA als Kalt-Härter, das typischerweise auch bei der Herstellung von Rotorblättern verwendet wird
- EP4: DGEBA-Harz mit 4,4‘ Diaminodiphenylsulfon DDS-Härter für Hochtemperaturharze in der Luftfahrt
- EP5: Epoxidharz basierend auf Tetraglycidylmethylendianillin (TGMDA) mit DDS-Härter mit höherer Vernetzungsdichte
- EP2X: Modifizierte Version von EP2 mit Anteilen an Core-Shell-Partikeln zur Zähigkeitsmodifikation bei Tieftemperatur.
Ereignisüberblick der DMA-Analyse
Glasübergangstemperatur Tg
Die Glasübergangstemperatur ist ein kritischer Punkt, der die Einsatzgrenzen eines Materials als Abfall des Speichermoduls und Maximum im Verlustmodul oder tan δ definiert. Epoxidharze mit höherem Vernetzungsgrad zeigen eine höhere Tg, was bedeutet, dass sie auch bei höheren Temperaturen ihre Steifigkeit behalten.
Speichermodul (E')
Das Speichermodul nimmt mit abnehmender Temperatur zu (Abbildung 1). Bei -196 °C zeigten die untersuchten Harze einen signifikant höheren Speichermodul, was auf eine erhöhte Steifigkeit hindeutet. Diese Eigenschaft ist entscheidend, da bei Änderung des Moduls der Matrix ein deutlich anderes Verhalten als bei Raumtemperatur zu erwarten ist. Für die Auslegung von Tankstrukturen ist dies eine entscheidende Kenngröße.

Verlustmodul (E") und Dämpfungsfaktor tan δ
Das Verlustmodul, das die Dämpfungseigenschaften des Materials angibt, nimmt bei kryogenen Temperaturen ab. Dies deutet darauf hin, dass das Material bei tiefkalten Temperaturen weniger Energie durch innere Reibung dissipiert, was zu einer spröderen Charakteristik führt. Die Ergebnisse der DMA standen mit den Untersuchungen der Bruchzähigkeit bei -196 °C im Einklang − das Material versprödet bei Kälte zunehmend und verhält sich mit Verlust der plastischen Verformbarkeit zunehmend linear elastisch (Abbildung 2).

Einfluss der Zähigkeitsmodifikation
Durch die Zugabe von zähmodifizierenden Additiven wie Core-Shell-Partikeln in Nanoskalen wurde die Bruchzähigkeit der Harze verbessert, ohne die notwendige Steifigkeit im Faser-Kunststoff-Verbund bei erhöhten Temperaturen zu stark zu beeinträchtigen. Dies führt zu einer ausgewogenen Kombination aus Steifigkeit und Zähigkeit, die für Kryotanks bei unterschiedlichen Temperaturbelastungen optimal ist. Es zeigt sich, dass die modifizierten Harze bei -196 °C einen niedrigeren E‘- Wert aufweisen. Dies bedeutet, dass diese Materialien weniger verspröden und eine Art “Restduktilität” verbleibt, was für die Balance aus struktureller Integrität und erhöhter Bruchzähigkeit der Kryotanks für die Mikrorissbeständigkeit wichtig ist.
Die Zugabe von Silikonnanopartikeln führt zu einer Erweichung des Netzwerks, was sich durch ein geringeres Modul im Vergleich zu dem nicht-modifizierten EP2 über den gesamten Temperaturbereich zeigt. Besonders bei tiefen Temperaturen lässt sich durch die Glasübergangstemperatur des Silikonkerns eine Plastifizierung des Netzwerks erkennen. Der Modul ist über alle Temperaturen hinweg niedriger, da Silikon eine signifikant niedrigere Steifigkeit aufweist als reines Epoxidharz. Die chemische Kompatibilität zwischen Silikon und Epoxidharz wird durch die thermoplastische Hülle verbessert, wodurch der Modul weniger stark abnimmt.
Die Tg wird leicht reduziert, da die Erweichung des Netzwerks mit 5 % Zugabe früher einsetzt (Abbildung 3). Die Tg nach Maximum Verlustfaktor tan δ sinkt jedoch nur auf +142,9 °C. Der tatsächliche Materialerweichungspunkt, definiert durch den Abfall des E‘-Moduls, liegt bei +122 °C. Dies ist bei EP2X jedoch hoch genug, um bei äußeren Temperaturanforderungen von bis zu +90 °C ausreichende Sicherheit des Komposits zu gewährleisten. Für die Montage von Klebeverbindungen oder Anbauteilen an die Tank-Struktur ist die Bauteilsteifigkeit bis +122 °C relevant, weil diese zum Beispiel bei einer Härtungstemperatur von +120 °C maßhaltig sein sollen, da sie dort erneut lokal erwärmt werden müssen, um Klebeverbindungen für Anbauteile oder Reparaturen durchführen zu können.

Korrelation mit dem mechanischen Verhalten der Kryotanks bei -196 °C
Die durch DMA ermittelten thermomechanischen Eigenschaften korrelieren direkt mit dem mechanischen Verhalten des CFK-Materials, welches bei tiefen Temperaturen für Tankstrukturen eingesetzt werden kann.
- Die erhöhte molekulare Steifigkeit bei tiefen Temperaturen führt zu einer höheren Zugfestigkeit, gleichzeitig jedoch zu einer reduzierten Bruchdehnung, wodurch das Material spröder wird.
- Daher muss die Materialauslegung für Kryotanks unter Berücksichtigung niedrigerer Dehnungslevels konservativer gestaltet werden.
- Rissausbreitungswiderstand: Modifizierte Epoxidharze mit zähmodifizierenden Additiven zeigen eine verbesserte Risszähigkeit und reduzieren das Risiko der Entstehung von Mikrorissen.
Anwendung der DMA in der Materialentwicklung für Kryotank-Anwendungen
- Materialauswahl und Modifikation: Die DMA hilft, die besten Harzformulierungen auszuwählen, die eine optimale Kombination aus Modul und Zähigkeit bieten. Dies ist besonders wichtig, um die strukturelle Integrität und Sicherheit der Kryotanks zu gewährleisten.
- Prozessoptimierung: Die Analyse der Glasübergangstemperatur und der rheologischen Eigenschaften ermöglicht es, die Aushärtungsbedingungen und Verarbeitunsgstemperaturen optimal anzupassen, um die besten mechanischen Eigenschaften zu erreichen.
- Qualitätssicherung: Regelmäßige DMA-Tests während der Produktion von Materialien und Bauteilen stellen sicher, dass die Materialien konsistente Eigenschaften aufweisen und den strengen Anforderungen für kryogene Anwendungen gerecht werden.
- Langzeitstabilität: Langzeitstudien und wiederholte Temperaturzyklen in der DMA bieten Einblicke in die beständige Stabilität und Zuverlässigkeit der Materialien unter kryogenen Bedingungen. Dies ist entscheidend für die Sicherheit und Langlebigkeit der Kryotanks.
Fazit
Die dynamisch-mechanische Analyse (DMA), bzw. auch dynamisch-mechanischr thermische Analyse (DMTA) genannt, ist ein wesentliches Werkzeug in der Materialentwicklung für kryogene Anwendungen. Sie ermöglicht eine detaillierte Bewertung der thermo-mechanischen Eigenschaften von Epoxidharzen und deren Optimierung für den Einsatz in kohlenstofffaserverstärkten Kryotanks. Durch den systematischen Einsatz der DMA können Materialien entwickelt werden, die den extremen Anforderungen standhalten und eine hohe Leistungsfähigkeit und Sicherheit bieten.
Weitere, detaillierte Informationen finden Sie in der Dissertationsschrift von Dr. Hübner: Hübner, Fabian: Modifizierte Epoxidharzformulierungen zur Herstellung von kohlenstofffaserverstärkten kryogenen Wasserstoffspeichern im automatisierten Legeverfahren. Bayreuth, 2024.