Bestimmung des Glasübergangs von Gummiproben mittels DMTA im Kompressionsmodus

Einleitung

Die dynamisch-mechanisch-thermische Analyse (DMTA) ist heute eine etablierte Methode für die Materialforschung in der Gummi- und Reifenindustrie. Die Enwicklung entsprechend neuer Compounds erfordert detaillierte Informationen über die mechanischen Eigenschaften der verwendeten Materialien. Dazu gehört die Bestimmung der viskoelastischen Materialdaten einschl. Speichermodul E’, Verlustmodul E” und Verlustfaktor tanδ in Abhängigkeit von der Temperatur, der Erregerfrequenz und der externen Deformation (z.B. Verformung unter Last). 

Ziemlich beliebt ist die Untersuchung der Shore-Härte. Bei den mittels Shore-Härte-Tests erhaltenen viskoelastischen Eigenschaften fehlen jedoch einige wichtige Informationen. So sind Daten über die Abhängigkeit des Compounds von Temperatur und Frequenz überhaupt nicht zugänglich. Auch die Deformation, die während des Shore-Härte-Tests auf die Proben aufgebracht wird, wird nicht gemessen. 

Die gewünschten Ergebnisse erhält man nur mittels DMTA-Untersuchungen. Da die viskoelastischen Eigenschaften (E’, E”, tanδ) eines Elastomersystems von der extern aufgebrachten Deformation abhängen, müssen Temperatursweeps bei konstanter Deformation über den gesamten Temperatureinsatzbereich durchgeführt werden. 

Aufgrund der hohen Steifigkeit von Gummimischungen bei Temperaturen unterhalb des Glasübergangs Tg benötigt man hohe Kräfte, um die gewünschten statischen und dynamischen Deformationen zu erhalten. 

Für Kompressionstests werden in der Regel zylinderförmige Proben (“Roelig”-Proben) mit einer Höhe und einem Durchmesser von 10 mm eingesetzt. 

Ausgehend von einem E‘-Modul von 3.000 MPa, einem typischen Wert im glasartigen Zustand, erfordert die Testkapazität eines Gerätes eine dynamische Kraftamplitude von ±50 N, um eine detektierbare Ausdehnung von ca. 2 μm zu generieren. Dies ist mit klassischen DMA-Labor- Apparaturen nicht möglich. Besonders gut geeignet für diese Aufgabe ist der Eplexor® 500 N von NETZSCH GABO Instruments (siehe Abbildung 1). DMTA-Systeme wie die Eplexor®-Serie von NETZSCH GABO Instruments sind mit einem hohen Kraftantrieb ausgestattet, um geeignete Amplituden mit hohen Kräften zu realisieren. 

In der Qualitätskontrolle sind zweitaufwändige Temperatursweeps jedoch unwirtschaftlich. Derartige Tests sollten sehr schnell durchführbar sein und einschließlich Probenvorbereitung nicht länger als 20 min dauern. Dieses Application Note zeigt, wie Temperatursweeps durch Frequenz-Sweeps, die nahe des Tg durchgeführt werden, ersetzt werden können.

1) Eplexor® 500 N

Temperaturabhängigkeit von Butylkautschuk (BR) und SBR 1500

Alle Temperatursweeps wurden bei einer statischen Deformation von 4 %, bezogen auf die ursprüngliche Probenlänge (10 mm für alle Proben), in einem Temperaturbreich von -80 °C bis 80 °C durchgeführt. Die aufgebrachte dynamische Verformungsamplitude betrug ± 0,2 %, die Testfrequenz 10 Hz. 

Abbildung 2 zeigt den komplexen Modul eines gefüllten (50 phr Ruß) und eines ungefüllten BR-Elastomers in Abhängigkeit von der Temperatur. Aufgrund des RußTemperatur und Atmosphäre (Spülgas) beeinflussen die Ergebnisse der Massenänderung. Durch Änderung des Atmosphärenspülgases von Stickstoff auf synthetische Luft während der TG-Messung werden die Auftrennung und Quantifizierung von Additiven, z.B. Ruß, und des Bulk-Polymers realisiert.Rußanteils ist der Modul des gefüllten BR bei Temperaturen oberhalb 0 °C ca. 10 mal höher im Vergleich zum reinen BR. 

Das gefüllte und ungefüllte BR-System (Abbildung 3) zeigt einen sehr breiten Glasübergangsbereich über einen Temperaturbereich von ca. 50 K (Halbwertsbreite des tanδ- Peaks). Die Höhen der tanδ -Peaks sind jedoch vollkommen unterschiedlich (das tanδ-Peakmaximum beim gefüllten BR beträgt 0,75 und beim ungefüllten BR 1,3).

2) Temperatursweep; absolute Werte des komplexen Moduls |E*| eines gefüllten und ungefüllten BR-Systems in Abhängigkeit von der Temperatur (Kompressionsmodus, statische Belstung: 4 %, dynamische Amplitude: ±0,2 %, Frequenz: 10 Hz)
3) Vergleich des Verlustfaktors (tanδ) eines gefüllten und eines ungefüllten BR-Systems in Abhängigkeit von der Temperatur (Temperaturweep, gleiche Messbedingungen wie in Abbildung 2)

Abbildungen 4 und 5 zeigen den komplexen Modul und tanδ des zweiten untersuchten Systems. Es wurden wiederum ein gefülltes und ein ungefülltes System charakterisiert, dieses Mal jedoch auf Basis von SBR 1500. Das reine SBR zeigt einen viel schmaleren Glasübergangspeak im Vergleich zum BR-System. Die Halbwertsbreite dieses Glasübergangs betrug nur 20 K. Wie zuvor fallen die Absolutwerte des komplexen Moduls E* des ungefüllten SBR von fast 3.000 MPa unterhalb des Tg auf Werte unter 5 MPa oberhalb der GlasübergangstemperaturDer Glasübergang gilt als eine der wichtigsten Eigenschaften amorpher und teilkristalliner Materialien, wie z.B. anorganische Gläser, amorphe Metalle, Polymere, Pharmazeutika und Lebensmittel, usw., und bezeichnet den Temperaturbereich, in dem sich die mechanischen Eigenschaften des Material von einem harten und spröden Zustand in einen weicheren, verformbaren oder gummiartigen Zustand ändern.Glasübergangstemperatur. Der |E*| der gefüllten Systeme – bei Temperaturen oberhalb des Tg – ist doppelt so hoch wie der des ungefüllten SBR 1500.

Temperatursweeps erlauben die Charakterisierung unterschiedlicher Materialien, sind jedoch ziemlich zeitaufwändig. Schnelle und intelligente Testverfahren, die Unterschiede im viskoelastischen Verhalten von Materailien als eine Art „Fingerabdruck“ aufzeigen können, tragen zur Verkürzung der Testzeiten bei. 

Als nützlich erwiesen haben sich Frequenzsweeps, die im Glasübergang durchgeführt werden.

4) Absolutwerte des komplexen Moduls |E*| eines gefüllten und ungefüllten SBR 1500-System in Abhängigkeit von der Temperatur (Vergleich) (Temperatursweep, gleiche Messbedingungen wie in Abbildung 2)
5) Vergleich des Verlustfaktors (tanδ) eines gefüllten und ungefüllten SBR 1500-System in Abhängig-keit von der Temperatur (Temperatursweep, gleiche Messbedingungen wie in Abbildung 2)

Insert Text

Frequenzsweeps an gefüllten und ungefüllten Gummisystemen

Abbildung 6 zeigt die Frequenzabhängigkeit von zwei Butylkautschuk-Systemen. Im Vergleich zum ungefüllten BR (BR – ungefüllt bei 23 °C) wird der komplexe Modul (E*, dargestellt als Absolutwerte) des gefüllten Systems (BR – 50 phr bei 23 °C) auf ein höheres Niveau verschoben. Bei Umgebungstemperatur sind die Linienformen der gefüllten (BR – 50 phr bei 23 °C) und der ungefüllten (BR – ungefüllt bei 23 °C) BR-Mischungen sehr ähnlich, was auf ein gleiches Frequenzverhalten des gefüllten und ungefüllten Gummis schließen lässt.

6) Frequenzabhängigkeit eines gefüllten und eines ungefüllten Butylkautschuck- Systems (Frequenzsweep, gleiche Messbedingungen wie in Abbildung 2)

Innerhalb des Glasübergangbereichs bei einer Temperatur von T = -20 °C sieht die Situation jedoch anders aus. Der ungefüllte BR zeigt mit zunehmender Frequenz einen viel höheren Anstieg der IE*I-Kurve als das gefüllte System. 

Ähnliche Ergebnisse können für das gefüllte und ungefüllte SBR 1500-System (Abbildung 7) erhalten werden. Erwartungsgemäß zeigt das gefüllte System (SBR 1500 – 50 phr bei 23 °C) allgemein höhere Werte für den komplexen Modul |E*| im Vergleich zum ungefüllten System (SBR 1500 – ungefüllt bei 23 °C). Der Anstieg beider Kurven bei Raumtemperatur unterscheidet sich nicht stark. Wiederum konnten bei -20 °C wesentliche Unterschiede in der Kurvenform detektiert werden, die, wie vorher diskutiert, eine Unterscheidung zwischen den verschiedenen Füllgehalten durch Analyse der Absolutwerte von E* erlauben.

7) Frequenzabhängigkeit eines gefüllten und eines ungefüllten SBR 1500-Systems (Frequenzsweep, gleiche Messbedingungen wie in Abbildung 2)

Zusammenfassung

Die Untersuchung großer Gummiproben (mit einem Durchmesser von 10 mm) im Kompressionsmodus ist nur möglich mit Hochlast-DMTA-Apparaturen wie mit dem Eplexor® 500 N von NETZSCH GABO Instruments. 

Die Frage, inwieweit E* vom Rußgehalt abhängt, lässt sich mittels Frequenzsweeps beantworten, durchgeführt im thermischen Gleichgewicht bei unterschiedlichen Temperaturen. Aufgrund des Gültigkeitsprinzips der Zeit-Temperatur- oder Frequenz-Temperatur-Superposition kann eine Variation der Frequenz bei konstanter Temperatur die gleichen Informationen wie ein Temperatursweep liefern.

Ein Frequenzsweep dauert typischerweise nur ca. 5 Minuten, wodurch das Testverfahren im Vergleich zu konventionellen Temperatursweeps, die bis zu 2 Stunden dauern, erheblich verkürzt wird. 

Die Messergebnisse zeigen auch, dass die Frequenzsweeps, die nahe der Glasübergangstemperatur durchgeführt wurden, eine Unterscheidung zwischen Gummimaterialien mit unterschiedlichem Rußgehalt mittels schneller Analysen ermöglichen.