Einleitung
Clavulansäure ist ein Arzneimittel aus der Gruppe der β-Lactamase-Inhibitoren, dass den antibiotischen Effekt gegen Infektionen verstärkt. Verabreicht als Monosubstanz weist sie nur eine schwache antibakterielle Wirkung gegen die meisten Organismen auf, in Kombination mit anderen ß-Lactam-Antibiotika verhindert sie jedoch die antibiotische Inaktivierung durch mikrobielle Lactamase [1].
Es wird üblicherweise als Kaliumsalz, Kaliumclavulanat, verwendet, da diese Substanz stabiler und weniger hygroskopisch als Clavulansäure ist. Doch auch Kaliumclavulanat ist immer noch äußerst hygroskopisch und hydrolyseempfindlich, wenn es in feuchter Umgebung gelagert wird [3]. Dies erfordert eine sorgfältige Wahl der Lagerbedingungen. Zusätzlich muss der Wassergehalt der für kaliumclavulanathaltige pharmazeutische Formulierungen verwendeten Komponenten mit berücksichtigt werden.
Im Folgenden wurde der Einfluss von Feuchtigkeit auf die thermische Zersetzung von Kaliumclavulanat mittels TG-FT-IR untersucht.
Messbedingungen
Drei Proben von Kaliumclavulanat wurden getestet: Die Originalsubstanz und zwei weitere Proben, die in einem offenen Gefäß über dem Wasser in einem geschlossenen Wasserbehälter gelagert wurden. Eine Probe aus dem Wasserbehälter wurde nach einwöchiger, die zweite Probe nach zweiwöchiger Lagerung untersucht. Alle drei Proben (ohne Behandlung, nach einwöchiger und zweiwöchiger Lagerung in feuchter Atmosphäre) wurden in Aluminiumtiegeln für die anstehenden Messungen verschlossen.
Die TG-Messungen wurden mit der TG 209 F1 Libra® unter dynamischer Stickstoffatmosphäre (40 ml/min) durchgeführt. Der Tiegeldeckel wurde erst unmittelbar vor Beginn der Messung mit einer automatischen Anstechvorrichtung gelocht. Die während der Aufheizung bis 600 °C mit 10 K/min ausgetretenen Gase wurden direkt über die Transferleitung in das FT-IR-Spektrometer von Bruker überführt.
Messergebnisse
Abbildung 2 zeigt die Massenänderungen von Kaliumclavulanat ohne und nach der Wasserbehandlung. Mit Beginn der Aufheizung tritt ein erster Massenverlust auf, der sich besonders deutlich unter 100°C bei den in feuchter Atmosphäre gelagerten Proben zeigt.
Die Probe, die eine Woche in feuchter Atmosphäre gelagert wurde, zeigt eine Massenverluststufe von 43 %. Bei der Probe nach zweiwöchiger Lagerung beträgt der Massenverlust 58 %. Die unbehandelten Originalprobe verliert dagegen in der ersten Massenverluststufe nur 1.8%.
In den Abbildungen 3, 4 und 5 ist eine 3-D-Präsentation der FT-IR-Spektren der während der Aufheizung der von den drei unterschiedlichen Proben freigesetzten Gase dargestellt.
Während der ersten Massenverluststufe von Kaliumclavulanat ohne Wasserbehandlung konnte nur die Freisetzung von Wasser detektiert werden (siehe NETZSCH Application Note 118/2018 [4]).
Abbildung 6 zeigt das FT-IR-Spektrum der bei 119 °C freigesetzten Gase von Kaliumclavulanat nach einwöchiger Lagerung in feuchter Atmosphäre. Zusätzlich zu dem typischen FT-IR-Spektrum von Wasser bestätigen die Banden zwischen 2200 cm-1 und 2400 cm-1 das Auftreten von Kohlendioxid. Damit ist die erste Massenverluststufe von 43 % auf eine überlagerte Freisetzung von Wasser und CO2 zurückzuführen und weist bereits auf den Zersetzungsbeginn von Clavulanat hin.
Die gleiche Schlussfolgerung kann aus dem Spektrum bei 119 °C für die für zwei Wochen gelagerte Probe (Abbildung 7) gezogen werden.
Bei der Probe ohne Feuchtebehandlung beginnt die Zersetzung bei 172 °C (Onsettemperatur der TG-Kurve) mit der alleinigen Freisetzung von CO2 (Abbildung 8).
Bei allen drei Proben setzt sich die Zersetzung mit zwei weiteren Stufen fort; mit Massenverlusten von 42 % und 13 % für die Probe ohne Lagerung, 23 % bzw. 9 % für die Probe nach einwöchiger Lagerung und 16 % bzw. 7 % für die das Kaliumclavulanat nach zweiwöchiger Lagerung. Die erste dieser Stufen über 200 °C ist mit der Freisetzung von Kohlendioxid und Kohlenmonoxid verbunden. Auch konnte in geringen Konzentrationen Ammoniak detektiert werden (Abbildung 9). Je länger die Feuchtebehandlung andauert, desto niedriger ist die Temperatur, bei der der Massenverlust auftritt, beginnend bei 288 °C für die Probe ohne Lagerung und bei 254 °C für das für zwei Wochen in feuchter Atmosphäre gelagerte Kaliumclavulanat.
Die letzte Massenverluststufe zwischen ca. 380 °C und 600 °C weist eine ähnliche Gaszusammensetzung auf: Im FT-IR-Spektrum liegen Methan, Kohlendioxid und Ammoniak bei 450 °C nebeneinander vor (Abbildung 10).
Die Ergebnisse der TG-FT-IR-Messungen an den drei Proben sind in Abbildung 11 widergegeben einschließlich der aus dem Kopplungsexperiment gezogenen Rückschlüsse.
Zusammenfassung
Kaliumclavulanat zeigt eine Tendenz zur Hydrolyse [3]. Um die Konsequenzen dieser Eigenschaft zu erforschen, wurde es für unterschiedliche Perioden in feuchter Atmosphäre gelagert. Mittels TG konnten die Unterschiede im Hydrolyseverhalten herausgefunden werden. Nach Lagerung in feuchter Atmosphäre zeigen die Proben nur drei Massenverluststufen im Vergleich zur unbehandelten Proben, die vier Massenverluststufen aufweist.
Die TG-FT-IR-Kopplung erlaubt die Analyse der während der Aufheizung freigesetzten Gase der behandelten und unbehandelten Proben. Es ist deutlich zu sehen, dass die erste Massenverluststufe der in feuchter Atmosphäre gelagerten Proben nicht nur ausschließlich auf die Freisetzung von Wasser, sondern auch auf die Freisetzung von CO2 zurückzuführen ist. Diese Tatsache deutet bereits auf die Zersetzung der Substanz hin. Als Ergebnis der Lagerung in feuchter Atmosphäre verschiebt sich die Zersetzungstemperatur von Kaliumclavulanat zu niedrigeren Temperaturen. Dies ist möglicherweise auch der Grund, dass die Lagerung von Kaliumclavulanat zwischen +2 °C und + 8 °C [5] empfohlen wird.
Die folgenden Massenverluststufen zeigen ähnliche Vorgänge bei allen drei Proben, da die gleichen Gase freigesetzt wurden – unabhängig von der Lagerung in feuchter Atmosphäre. Der Einfluss von Feuchtigkeit auf Kaliumclavulanat muss bei der Lagerung von Pharmazeutika unter unterschiedlichen klimatischen Bedingungen mit berücksichtigt werden. Besonders in tropischen Ländern mit hoher Luftfeuchtigkeit und hohen Temperaturen sollte beachtet werden, dass die Lagerfähigkeit nicht durch eine frühzeitige Zersetzung während der Lagerung herabgesetzt wird.