Materialcharakterisierung von Polymeren mit den Methoden der Thermischen Analyse − Eine umfassende Studie an PMMI mittels DSC, TG und TG-FT-IR

Einleitung

Die Methoden der Thermoanalyse finden zahlreiche Anwendung für die Materialcharakterisierung und -identifizierung im Polymerbereich. In dieser Fallstudie wurde PMMI mittels DSC, TG und TG-FT-IR untersucht. 

PMMI (Polymethacrylmethylimid) ist ein thermoplastisches Polymer. Da es sich um ein amorphes Polymer handelt, zeichnet es sich durch hohe Transparenz aus. Daher kann es in spezifischen Anwendungen wie z.B. in der Automobilindustrie für Scheinwerfermodule oder allgemeiner für optische Komponenten wie Lichtleiter, Linsen, Glasfasern, Leuchtenabdeckungen, Sichtgläser und Abschlussscheiben eingesetzt werden.

Messergebnisse

Im Vergleich zu PMMA (Polymethylmethacrylat) weist PMMI einen höhere Wärmeformbeständigkeit auf, was sich auch an der höheren GlasübergangstemperaturDer Glasübergang gilt als eine der wichtigsten Eigenschaften amorpher und teilkristalliner Materialien, wie z.B. anorganische Gläser, amorphe Metalle, Polymere, Pharmazeutika und Lebensmittel, usw., und bezeichnet den Temperaturbereich, in dem sich die mechanischen Eigenschaften des Material von einem harten und spröden Zustand in einen weicheren, verformbaren oder gummiartigen Zustand ändern.Glasübergangstemperatur widerspiegelt. Abbildung 1 zeigt die DSC-Ergebnisse der 2. Aufheizkurven des PMMI im direkten Vergleich zu PMMA. Für diese beiden Qualitäten wurde der Tg von PMMA bei 190,1 °C (Midpoint) und der von PMMI weit höher bei 175,8 °C (Midpoint) bestimmt.

1) DSC 214 Polyma-Ergebnises für die PMMA-Probe (blaue Kurve) und die PMMI-Probe (rote Kurve) (2. Aufheizkurven, Heizrate: 10 K/min, Probenmasse: PMMA 13,98 mg, PMMI 10,64 mg). Die PMMI-Probe für diese Studie wurde als ungetrocknetes Granulat angeliefert und in diesem Status untersucht.
2) DSC 214 Polyma-Ergebnisse für die PMMI-Probe (blaue Kurve: 1. Aufheizung; rote Kurve: 2. Aufheizung); (Heizrate: 10 K/min, Probeneinwaage: PMMI 10,64 mg)

 

In der ersten Aufheizung des DSC-Experiments (blaue Kurve in Abbildung 2) kann – neben dem Glasübergang Tg bei 162.2 °C – auch ein endothermer Effekt bei 197,1 °C direkt im Anschluss an den Tg beobachtet werden. Da dieser Effekt in der zweiten Aufheizung nicht zu sehen ist, kann davon ausgegangen werden, dass es sich um einen Verdampfungseffekt einer flüchtigen Komponente handelt. Dies kann in einem ersten Schritt alleine durch ein Rückwiegen der Probe nach der DSC-Untersuchung (in diesem Fall wurde ein Massenverlust von ca. 1 % festgestellt) bestätigt werden. Der Glasübergang von PMMI wurde in der zweiten Auf- heizung (rote Kurve in Abbildung 2) bei 175,8 °C detektiert.

Eine thermoanalytische Methode zur quantitativen Überprüfung des Massenverlusts stellt die thermogravimetrische Analyse (TGA) dar. Die Ergebnisse für die PMMI-Probe sind in Abbildung 3 gezeigt. 

In der TG-Kurve ist im Temperaturbereich von RT bis 260 °C eine Massenverluststufe von 1,0 % zu sehen. Das Maximum der Massenverlustrate für diese Massenverluststufe ist als Minimum in der DTG-Kurve (1. Ableitung) bei 199,9 °C zu sehen. Diese Massenverluststufe simmt eindeutig mit dem endothermen Effekt, der bei 197,1 °C (Peaktemperatur) in der 1. Aufheizung der DSC-Messung beobachtet werden konnte, überein.

3) DSC 214 Polyma-Ergebnisse für die PMMI-Probe (blaue Kurve: 1. Aufheizung) und TG 209 F1 Libra® (durchgezogene schwarze Kurve: TG-Kurve; schwarz gestrichelte Kurve: DTG-Kurve) (Aufheizrate: 10 K/min)
4) Temperaturabhängige Massenänderung (TG, durchgezogene schwarze Kurve), Massenänderungsrate (DTG, schwarz gestrichelte Kurve) und Gram-Schmidt-Kurve (rot gestrichtelte Kurve) der PMMI-Probe

 

Mittels TG lässt sich der Massenverlust bei einer bestimmten Temperatur quantifizieren; jetzt wäre es sehr interessant zu erfahren, welches Gas während dieser Massenverluststufe freigesetzt wurde, um einen tieferen Einblick in die Zusammensetzung der Probe zu erhalten. 

Zur Detektion und Identifizierung des freigesetzten Gases wurde das TG-System mit einem FT-IR-Spektrometer gekoppelt; dies lässt sich auf einzigartige Weise mit der NETZSCH PERSEUS® TG 209 F1 Libra® umsetzen. Das PERSEUS®-Kopplungssystem ist eine direkte Kopplung der TG 209 F1 Libra® mit dem Alpha-FT-IR-Spektrometer von Bruker. 

Abbildung 4 zeigt für die gekoppelte TG-FT-IR-Messung an PMMI die Gram-Schmidt-Kurve (rot) zusammen mit den TG- und DTG-Kurven. Die Gram-Schmidt-Kurve illustriert die gesamten IR-Intensitäten und verhält sich wie ein Spiegelbild der Massenverlustrate (DTG), während sie auch die maximalen Intensitäten während der Massenverluststufen zeigt. 

Für eine detallierte Auswertung der IR-Daten wurde die Massenverluststufe bei 200 °C herangezogen und mit den Einträgen der installierten Datenbanken (Abbildung 5) verglichen. In diesem Fall zeigt der Vergleich mit der Bibliothek, dass es sich bei dem freigesetzten Gas definitiv um H2O handelt.

5) Extrahiertes IR-Spektrum für PMMI bei 200 °C (blaue Kurve) im Vergleich zum Bibliotheksspektrum für H2O (rote Kurve)

Zusammenfassung

Mit diesem Einblick in das Material lassen sich auch die DSC-Ergebnisse für die erste und zweite Aufheizung (Abbildung 2) genauer erklären. Aufgrund des Wassergehalts der Probe ist die detektierte Glasübergangstemperatur in der ersten Aufheizung etwas niedriger als in der zweiten Aufheizung. Feuchtigkeit in einem Polymer verhält sich wie ein Weichmacher und erniedrigt die Glasübergangstemperatur beträchtlich.