Über das Oxidationsverhalten von Speiseölen (HP-DSC)

Einleitung

Ein wichtiges Qualitätsmerkmal von Polymeren oder allgemein von Kohlenwasserstoffen ist das Alterungsverhalten. Das Einwirken von Umwelteinflüssen wie Sauerstoff, UV-Strahlung, Temperatur und Feuchtigkeit kann sowohl die Qualität von Rohstoffen als auch von Produkten während des Einsatzes oder während der Lagerung beeinflussen. Vor dem Hintergrund der Wareneingangskontrolle, der Qualitätssicherung oder der Verwendungsdauer von organischen Substanzen ist es daher wichtig, deren Lagerstabilität oder das Alterungsverhalten zu kennen. Unabhängig davon, nach welchen chemischen Reaktionsmechanismen Alterungsprozesse ablaufen, führen sie letztlich alle zu einer Degradation des Materials. Diese Spaltung der Moleküle oder Molekülketten hat immer kleinere Bruchstücke zur Folge und je weiter die Alterung voranschreitet, desto kleiner werden die Moleküle. Die kürzeren Molekülketten weisen wiederum eine höhere Reaktionsfähigkeit gegenüber Sauerstoff auf, die Sauerstoffresistenz ist folglich herabgesetzt.

Alle Kohlenwasserstoffe reagieren mit Sauerstoff in einer stark exothermen Oxidationsreaktion unter Bildung von Kohlendioxid (CO2) und Wasser (H2O). Neben dem Schmelz- und Kristallisationsverhalten [1] lassen sich mit Hilfe der Differential Scanning Calorimetry (DSC) auch diese Oxidationsreaktionen sehr einfach beobachten. Aus dem Reaktionsverhalten lässt sich der aktuelle Zustand einer Substanz hinsichtlich ihrer Alterung bestimmen. In der Regel wird dazu eine Reihe von Proben unter identischen Messbedingungen untersucht und deren Ergebnisse vergleichend dargestellt. Besonders aussagekräftig ist eine solche Messserie, wenn unterschiedlich stark gealterte Proben mit einer nicht gealterten Probe verglichen werden. Insgesamt existieren zahlreiche Messvorschriften zur Bestimmung des Alterungsverhaltens (Oxidationsverhaltens) von Fetten, Ölen, Wachsen oder allgemein von Polymeren und Kohlenwasserstoffen mit Hilfe der DSC [2].

Messvorschriften

Bei der Oxidationsreaktion von Kohlenwasserstoffen mit Sauerstoff handelt es sich entweder, wie im Fall von Ölen, um eine Flüssig-Gas-Reaktion oder, wie im Fall von Polymeren, um eine Fest-Gas-Reaktion. In beiden Fällen kommt der Reaktionsfläche, also der Oberfläche der Probe, eine besondere Bedeutung zu. Die Probenmenge und die Probenpräparation werden deshalb in den Messvorschriften ebenso vorgegeben wie etwa das Tiegelmaterial oder die Tiegelgeometrie, das Reaktionsgas (synthetische Luft, reiner Sauerstoff), die Spülgasrate, die Aufheizrate oder die Isothermtemperatur.

Je nach Probenmaterial und Reaktivität werden in den einschlägigen Normen entweder Messungen bei konstanter Temperatur (Oxidations-Induktionszeit (OIT) und oxidations-onset temperatur (OOT)Oxidations-Induktionszeit (isothermische OIT): Relatives Maß der Beständigkeit eines (stabilisierten) Werkstoffs gegen oxidative Zersetzung, das durch die kalorimetrische Messung des Zeitintervalls bis zum Beginn der exothermen Oxidation des Werkstoffs bei einer festgelegten Temperatur in einer Sauerstoff- oder Luftatmosphäre bei Atmosphärendruck bestimmt wird.OIT = Oxidative-Induction Time) oder mit einer konstanten Aufheizrate (Oxidations-Induktionszeit (OIT) und oxidations-onset temperatur (OOT)Oxidations-Induktionszeit (isothermische OIT): Relatives Maß der Beständigkeit eines (stabilisierten) Werkstoffs gegen oxidative Zersetzung, das durch die kalorimetrische Messung des Zeitintervalls bis zum Beginn der exothermen Oxidation des Werkstoffs bei einer festgelegten Temperatur in einer Sauerstoff- oder Luftatmosphäre bei Atmosphärendruck bestimmt wird.OOT = OxidationOxidation kann im Zusammenhang mit thermischer Analyse verschiedene Vorgänge bezeichnen.Oxidation Onset Temperature) vorgeschlagen. Auch finden sich Messvorschriften unter Verwendung einer konstanten Gasflussrate bei Atmosphärendruck oder aber bei einem erhöhten Sauerstoffdruck von 35 bar (3.5 MPa). Da das Spülgas Sauerstoff für diese Untersuchungen auch ein Reaktionsgas ist, stellt der verwendete Sauerstoffdruck nicht nur einen physikalischen Messparameter dar, sondern ist auch ein Maß für die Konzentration eines der Reaktanden. Die Reaktionsgeschwindigkeit nimmt mit steigendem Sauerstoffdruck zu, Messungen bei erhöhtem Sauerstoffdruck sind folglich beschleunigte Alterungstests. Der erhöhte Druck hat zudem den Vorteil, dass störende kalorische Einflüsse, die beispielsweise durch das Verdampfen von zu untersuchenden Flüssigkeiten entstehen können, unterdrückt werden. 

In der folgenden Tabelle sind die gebräuchlichsten Normen den verschiedenen Messbedingungen zugeordnet:

Tabelle 1: Messbedingungen der gebräuchlichsten Normen hinsichtlich Temperatur- und Druckführung

 

1 bar

35 bar

IsothermUntersuchungen bei geregelter und konstanter Temperatur werden als isotherm bezeichnet.Isotherm

ASTM D3895-07

ISO 11357-6

ASTM D6186-08

ASTM D5483-05

ASTM D5885-05

ASTM E1858-08

Dynamisch

ASTM E2009-08

ISO 11357-6

ASTM E2009-08

In der folgenden Arbeit wurde im Wesentlichen auf die in der ASTM E2009-08 vorgeschlagenen Messbedingungen zurückgegriffen, weil diese Norm speziell auf Speiseöle Bezug nimmt und dynamische Messungen sowohl unter Atmosphärendruck als auch unter erhöhtem Druck vorschlägt. Für die Tiegelauswahl wurde hingegen auf die Empfehlungen der ASMT D6186-08 und der ASTM D5483-05 zurückgegriffen, die sogenannte SFI-Tiegel (SFI = Solid Fat Index) aus Aluminium für die Untersuchung von Schmierölen und Schmierfetten gegenüber rein zylindrisch geformten Aluminiumtiegeln bevorzugt. Durch die spezielle Tiegelform ist gewährleistet, dass flüssige Proben ihre Kontaktfläche zum Tiegelboden während der Messung nicht verändern, da verhindert werden kann, dass sich die flüssigen Substanzen durch Kapillarkräfte an den seitlichen Tiegelflächen emporziehen. Abbildung 1 zeigt die vertieften Randbereiche des Tiegelbodens, die für SFI-Tiegel charakteristisch sind. 

Die Herstellung der SFI-Tiegel aus zylindrisch geformten Aluminiumtiegeln (Bestell-Nr. NGB810405) mit Hilfe eines speziellen Presswerkzeugs (Bestell-Nr. 6.240.10-84.0.00) sowie die Verwendung der SFI-Tiegel im Zusammenhang mit Oxidations-Induktionszeit (OIT) und oxidations-onset temperatur (OOT)Oxidations-Induktionszeit (isothermische OIT): Relatives Maß der Beständigkeit eines (stabilisierten) Werkstoffs gegen oxidative Zersetzung, das durch die kalorimetrische Messung des Zeitintervalls bis zum Beginn der exothermen Oxidation des Werkstoffs bei einer festgelegten Temperatur in einer Sauerstoff- oder Luftatmosphäre bei Atmosphärendruck bestimmt wird.OIT-Untersuchungen sind in der Literatur beschrieben [3].

1) Foto SFI-Tiegel und Werkzeug (links), Schnittbild des SFI-Tiegels (rechts)

Experimentelles

Die Untersuchungen zum Oxidationsverhalten der Speiseöle Sonnenblumenkernöl, Walnussöl, Rapsöl, Erdnusskernöl, Kürbiskernöl, Pistazienkernöl und Olivenöl wurden mit einer NETZSCH DSC 204 HP mit t-Sensor durchgeführt. Als Spülgas und Druckgas stand Sauerstoff zur Verfügung, die Spülgasrate betrug 100 ml/min. Die Öle wurden so in offene Aluminiumtiegel (SFI) pipettiert, dass die zentrale Bodenfläche des Tiegels komplett benetzt war. Die Messparameter und die Einwaagen sind in der Tabelle 2 zusammengefasst.

Tabelle 2: Messbedingungen

 

Dynamisch

IsothermUntersuchungen bei geregelter und konstanter Temperatur werden als isotherm bezeichnet.Isotherm

MessgerätHP-DSC 204HP-DSC 204
Sensort-Sensort-Sensor
KühlungGN2, autoGN2, auto
TiegelAl offen, SFIAl offen, SFI
AtmosphäreSauerstoff (99.6%)Sauerstoff (99.5%)
Gasflussrate100 ml/min100 ml/min
Druck35 bar (3,5 MPa)35 bar (3,5 MPa)
Heizrate10 K/min100 K/min
Probenmassen3,05 mg (±0,03)3,05 mg (±0,03)

Die isotherme drucklose Untersuchung zum Oxidationsverhalten wird üblicherweise so durchgeführt, dass die Probe unter Schutzgas auf die entsprechende Isothermtemperatur aufgeheizt und nach einer kurzen Stabilisierungsphase das Spülgas von inert auf oxidierend umgeschaltet wird (ISO 11357-6). Im Gegensatz dazu wird für die Untersuchung unter erhöhtem Druck zuerst bei Raumtemperatur, innerhalb eines fünfminütigen Isothermsegments, der Druck auf den gewünschten Wert geregelt (hier 35 bar) und nach einer Stabilisierungsphase die Temperatur mit einer konstanten Aufheizrate von 10 K/min erhöht (ASTM E2009-08). Abbildung 2 zeigt für den zweiten Fall exemplarisch den Verlauf von Temperatur und Druck in Abhängigkeit von der Zeit.

2) Exemplarische Darstellung des Verlaufs von Temperatur und Druck in Abhängigkeit von der Zeit für die Aufheizrate 10 K/min

Ergebnisse und Diskussion

Verschiedene Speiseöle wurden bei 35 bar Sauerstoffdruck (Gasfluss: 100 ml/min) und mittels dynamischer Temperaturführung untersucht. Die Ergebnisse hinsichtlich des Oxidationsverhaltens sind in Abbildung 3 für alle Öle vergleichend dargestellt.

3) Vergleichende Darstellung des Oxidationsverhaltens aller untersuchten Speiseöle (siehe Tabelle 3)

Unter den gewählten Messbedingungen zeigen das Sonnenblumenkernöl und das Walnussöl die höchste Reaktivität, während das Olivenöl die größte Oxidationsresistenz aufweist. Als Kriterium für den Beginn der exothermen Verbrennungsreaktion wird der extrapolierte Onset herangezogen. Die resultierenden Werte sind für alle untersuchten Öle in Tabelle 3 zusammengefasst.

Tabelle 3: Oxidationsverhalten alle Speiseöle in Sauerstoff (35 bar / 100 ml/min)

Hersteller

Sonnenblumenkernöl

Walnussöl

Rapsöl

Erdnusskernöl

Kürbiskernöl

Pistazienkernöl

Olivenöl

Hersteller1232245

Extrapolierter

Onset [°C]

143,0144,1156,6166,5166,9171,2173,1

Ein Vergleich von Wiederholungsmessungen für Sonnenblumenkernöl und Olivenöl zeigt, dass die Bestimmung des Beginns der Oxidationsreaktion über den extrapolierten Onset lediglich mit einer Unsicherheit von kleiner ± 1 K behaftet ist (Abbildung 4). Damit ist der Nachweis erbracht, dass sich die meisten der untersuchten Speiseöle hinsichtlich ihres Oxidationsverhaltens deutlich unterscheiden lassen (Abbildung 3). Jedoch zeigen das Sonnenblumenkernöl und das Walnussöl mit 143,0 °C und 144,1 °C so ähnliche Werte, dass eine signifikante Unterscheidung mit diesen Messbedingungen nicht möglich ist.

Für Proben, die sich so unterschiedlich verhalten, wie etwa das Sonnenblumenkernöl (143,0°C) und das Olivenöl (173,1°C), ist die dynamische Temperaturführung ideal; durch sie können die unterschiedlichen Oxidationsresistenzen signifikant unterschieden werden. Zudem wäre es mit einem isothermen Messregime sehr schwierig bis unmöglich, eine Temperatur zu finden, bei der beide Proben in einem überschaubaren Zeitraum reagieren.

4) Ergebnisse der Mehrfachbestimmung des Oxidationsverhaltens von Olivenöl und Sonnenblumenkernöl (dynamisch, 35 bar)

Besteht die Aufgabe hingegen darin, Öle voneinander zu unterscheiden, die in ihrem Oxidationsverhalten sehr ähnlich sind, wie etwa das Sonnenblumenkernöl (143,0 °C) und das Walnussöl (144,1 °C), so ist ein isothermer Oxidationstest von Vorteil. Dazu wird die Probe zunächst mit einer Aufheizrate von 100 K/min auf die gewünschte Temperatur gebracht, nach einer zweiminütigen Stabilisierungsphase das Ventil der Sauerstoffzufuhr geöffnet und die gesamte Apparatur mit 35 bar Sauerstoff beaufschlagt (ASTM D6186-08). Abbildung 5 veranschaulicht den gemessenen Temperatur- und Druckverlauf. Dabei ist die Temperatur so zu wählen, dass sich die reaktivste Probe einige Minuten resistent zeigt, bevor die exotherme Reaktion beginnt.

5) Examplarische Darstellung des Verlaufs von Temperatur und Druck in Abhängigkeit von der Zeit für die Isotherme bei 115 °C

Die Ergebnisse der isothermen Oxidationsversuche bei 115 °C und 35 bar Sauerstoffdruck für die Proben Sonnenblumenkernöl und Walnussöl sind in Abbildung 6 dargestellt. Der Beginn der Oxidationsreaktion (extrapolierter Onset) ist hier der besseren Anschaulichkeit wegen in Sekunden angegeben. Die Mehrfachbestimmung des Oxidationsbeginns zeigt, dass das Sonnenblumenkernöl unter diesen Bedingungen mit 559,7 s (± 6) eine signifikant geringere Oxidationsresistenz besitzt als das Walnussöl mit 621,4 s (± 6). Der Unterschied des Reaktionsbeginns ist mit 60 s etwa zehnmal größer als die Messunsicherheit. Das zum Vergleich ebenfalls unter diesen Bedingungen untersuchte Olivenöl zeigt sich hingegen über mehrere Stunden resistent.

6) Ergebnisse der Mehrfachbestimmung des Oxidationsverhaltens von Olivenöl, Walnussöl und Sonnenblumenkernöl (115 °C, 35 bar)

Zusammenfassung

Das Oxidationsverhalten von Ölen, Fetten, Wachsen, oder allgemein von Polymeren und Kohlenwasserstoffen lässt sich mit Hilfe der Differential Scanning Calorimetry (DSC) untersuchen. Eine Vielzahl von nationalen und internationalen Normen empfiehlt zu deren Charakterisierung Messbedingungen mit unterschiedlichen Parametern wie Temperaturbehandlungen (IsothermUntersuchungen bei geregelter und konstanter Temperatur werden als isotherm bezeichnet.isotherm/dynamisch), Tiegeltypen (zylindrisch/SFI), Atmosphären (synthetische Luft/ Sauerstoff) oder Drücken (Atmosphärendruck/35 bar). 

Für die Charakterisierung von verschiedenartigen Speiseölen hat sich in der vorliegenden Arbeit eine dynamische Temperaturführung mit einer Aufheizrate von 10 K/min, mit einem Sauerstoffdruck von 35 bar und einem Gasfluss von 100 ml/min, als vorteilhaft erwiesen.

Für flüssige Proben oder für Substanzen, die während der Aufheizphase ihre Viskosität ändern, sind sogenannte SFI-Tiegel besonders gut geeignet, denn durch deren spezielle Bodenform kann verhindert werden, dass sich die Proben an der Tiegelwandung emporziehen oder allgemein die Kontaktfläche zum Tiegelboden verändern.

Proben, die unter dynamischen Bedingungen ein sehr ähnliches Oxidationsverhalten zeigen, lassen sich gegebenenfalls durch eine isotherme Temperaturführung besser charakterisieren. Zwar muss für eine Serie von Proben erst die geeignete Isothermtemperatur ermittelt werden, dafür ist dieses Messregime für ähnliche Proben häufig selektiver.

Literatur

  1. [1]
    E. Füglein, “Charakterisierung von Speiseölen mittels Differential Scanning Calorimetry (DSC), NETZSCH Application Note 039
  2. [2]
    ASTM D 3895-07:Standard Test Method for Oxidative-Induction Time of Polyolefins by Differential Scanning Calorimetry
    ASTM D6186-08: Standard Test Method for OxidationOxidation kann im Zusammenhang mit thermischer Analyse verschiedene Vorgänge bezeichnen.Oxidation-
    Induction Time of Lubricating Oils by Pressure Differential Scanning Calorimetry (PDSC)
    ASTM D5483-05: Standard Test Method for OxidationOxidation kann im Zusammenhang mit thermischer Analyse verschiedene Vorgänge bezeichnen.Oxidation 
    Induction Time of Lubricating Greases by Pressure Differential Scanning Calorimetry (PDSC)
    ASTM E2009-08: Standard Test Method for OxidationOxidation kann im Zusammenhang mit thermischer Analyse verschiedene Vorgänge bezeichnen.Oxidation 
    Onset Temperature of Hydrocarbons by Differential Scanning Calorimetry (PDSC)
    ISO 11357-6: Determination of Oxidation Induction 
    Time (isothermal OIT) and Oxidation Induction Temperature (dynamic OIT)
  3. [3]
    G. Kaiser, S. Schmölzer, „Bestimmung der Oxidationsstabilität von Fetten und Ölen“, NETZSCH Application Note 036
    E. Kapsch, E. Füglein, S. Schmölzer, „Investigation of 
    the Oxidative Stability of Polyolefins and Thermoplastic Elastomers by Means of DSC“, NETZSCH Application Note 023