Verbesserung der Prozessbedingungen – Bestimmung der thermischen Stabilität von Eudragit® mittels TG-FT-IR

Einleitung

Eudragit® ist der Handelsnahme für Copolymere auf Polymethacrylatbasis, die für eine kontrolliert verzögerte Arzneistofffreigabe in allen Magen- und Darmabschnitten eingesetzt werden. Eudragit® ist in mehreren Zusammensetzungen, die sich bezüglich der funktionellen Gruppen an den Seidenketten unterscheiden, erhältlich.

Je nach ph-Wert der Umgebung ergibt sich ein unterschiedliches Auflösungsverhalten. Beispielsweise ist Eudragit L100-55 (Abbildung 1) in Darmflüssigkeiten ab pH-Werten 5,5 löslich, jedoch nicht in Magenflüssigkeiten mit niedrigeren pH-Werten. So kann es in Kombination mit Medikamenten verwendet werden, die z.B. erst im Zwölffingerdarm – nach Passieren des Magens – freigesetzt werden sollen [1, 2, 3].

Die thermische Analyse von Eudragit®-Produkten ist aus unterschiedlichen Gründen unerlässlich: Zum einen unterschieden sie sich in ihrer GlasübergangstemperaturDer Glasübergang gilt als eine der wichtigsten Eigenschaften amorpher und teilkristalliner Materialien, wie z.B. anorganische Gläser, amorphe Metalle, Polymere, Pharmazeutika und Lebensmittel, usw., und bezeichnet den Temperaturbereich, in dem sich die mechanischen Eigenschaften des Material von einem harten und spröden Zustand in einen weicheren, verformbaren oder gummiartigen Zustand ändern.Glasübergangstemperatur (Tg) – selbst Eudragit®-Polymere mit ähnlicher chemischer Zusammensetzung zeigen in Abhängigkeit des Monomer-Verhältnisses Unterschiede in der Tg [1], womit anhand einer Tg-Bestimmung eine Eudragit®-Polymeridentifizierung möglich ist. Zum anderen erfordern optimale Prozessbedingungen, z.B. für die Schmelzextrusion, Kenntnisse über die Glasübergangstemperatur und die Thermische StabilitätEin Material ist thermisch stabil, wenn es sich unter Temperatureinfluss nicht zersetzt. Eine Möglichkeit, die thermische Stabilität einer Substanz zu bestimmen ist die Verwendung eines TGA (thermogravimetrischer Analysator).thermische Stabilität des Polymers [3].

Aus diesem Grund wurde der Zersetzungvorgang von Eudragit® L100-55 (Evonik Industries) mittels einer gekoppelten Messung von Thermogravimetrie und Gasanalyse, TG-FT-IR, untersucht.

1) Strukturformel des Monomers von Eudragit® L100-55 [1]

Messbedingungen

Die TG-FT-IR-Messung wurde mit der NETZSCH-Thermowaage TG 209 F1 Libra® durchgeführt. Zur Untersuchung und Identifizierung der während der thermogravimetrischen Analyse freigesetzten Gase wurden diese direkt in die Gaszelle des FT-IR-System (Bruker Optik) überführt. 

Die Messung wurde an 7,33 mg Eudragit® L100-55 in offenem Aluminiumoxidtiegel mit einer Heizrate von 10 K/min zwischen Raumtemperatur und 600°C in Stickstoffatmosphäre (40 ml/min) durchgeführt.

Messergebnisse

Abbildung 2 zeigt die Massenänderungen der Eudragit®-Probe zwischen 40 °C und 600 °C. Die erste Massenverluststufe von 0,8 % stellt die Freisetzung von Oberflächenwasser bis 100 °C dar. Der zweite Massenverlust von 5,9 % bei 200 °C (DTG-Peak) ist ebenfalls mit der durch das FT-IR-Spektrum bestätigten Freisetzung von Wasser (Abbildung 3) verbunden. Die Temperatur des Vorgangs deutet darauf hin, dass es sich um Kristallwasser handelt. Zusätzlich treten Absorptionsbanden im Wellenlängenbereich 3000 - 2800 cm-1 und über 1000 cm-1 auf. Diese Banden repräsentieren CH2- und CH3-Moleküle, die auf den Beginn der Zersetzung der vorliegenden Eudragit®-Probe hinweisen

2) Massenänderungen von Eudragit® L100-55 während der Aufheizung bis 600 °C

Der Peak bei 294 °C in der DTG-Kurve ist mit einer weiteren Stufe im Zersetzungsvorgang verbunden: Der Freisetzung von Kohlendioxid und wahrscheinlich Ethanol (Abbildungen 4 und 5). Dies lässt sich durch die Abspaltung der Estergruppe vom Eudragit®-Molekül erklären (Abbildung 6). Die letzte und Hauptzersetzungstufe mit einem Massenverlust von 88,5 %, tritt bei 393 °C (DTG-Peaktemperatur) auf. Die charakteristischen Bande von Ethanol und Kohlendioxid sind im FT-IR-Spektrum der bei 393 °C (Abbildung 7) freigegesetzten Gase noch nachweisbar. Zusätzlich treten Kohlenmonoxid (2300 cm-1 bis 2100 cm-1) und eine Estersubstanz auf, was anhand der Carbonylbande bei 1749 cm-1 zu sehen ist. Dies deutet darauf hin, dass der Esterteil C2H5-O-CO-CxHy vom Molekül abspaltet (siehe rote Markierung in Abbildung 10). Die zwei Vibrationsbanden bei 1460 cm-1 und 1380 cm-1 sind wahrscheinlich auf Teile des Kohlenstoffgerüsts zurückzuführen. Als Beispiel ist ein Vergleichsspektrum von Ethylacetat und 3-Methyloktan in den Abbildungen 8 und 9 illustriert.

3) FT-IR-Spektrum der bei 206 °C freigesetzten Gase während der Aufheizung von Eudragit® L100-55
4) Vergleich des FT-IR-Spektrums der bei 295 °C freigesetzen Gase (oben) mit dem EPA-NIST-FT-IR-Spektrum von Kohlendioxid (unten)
5) Vergleich des FT-IR-Spektrums der bei 295 °C freigesetzten Gase (oben) mit dem FT-IR-Spektrum von Ethanol (unten [4])
6) Die Abspaltung von Ester könnte den Nachweis von Ethanol in den Gasen bei 295 °C erklären.
7) FT-IR-Spektrum der bei 393 °C freigesetzten Gase
8) Vergleich des FT-IR-Spektrums der bei 393 °C freigesetzten Gase (oben) mit dem EPA-NIST-FT-IR-Spektrum von Ethylacetat (unten)
9) Vergleich des FT-IR-Spektrums der bei 393 °C freigesetzten Gase (oben) mit dem FT-IR-Spektrum von 3-Methyloktan (unten [4])
10) Abspaltung der Estergruppe

Zusammenfassung

Der Beginn der Zersetzung von Eudragit® ist eng mit der thermischen Stabilität verbunden. Dies führt zu Veränderungen in der Probenmasse während der Lagerung oder thermischen Behandlung. Die Massenänderungen können mittels Thermogravimetrie identifiziert werden. Eine eindeutige Zuordnung der freigesetzten Gase – und somit eine zuverlässige Interpretation der Massenverluste – ist jedoch nur mit der Thermowaage möglich, wenn diese an einen Gasanalysator, wie z.B. ein FT-IR Spektroskop gekoppelt ist. Dadurch lassen sich zuverlässige Rückschlüsse darauf ziehen, ob ein gegebener Massenverlust auf die Zersetzung oder nur auf die Freisetzung von Wasser zurückzuführen ist. 

Unter den gewählten Bedingungen (inerte Atmosphäre, Heizrate von 10 K/min) setzt die Zersetzung der untersuchten Eudragit®-Probe bei 185 °C (Onsettemperatur der TG-Kurve) ein. Dass es sich hierbei tatsächlich um den Zersetzungsbeginn handelt, belegen die C-H-Banden.

Literatur

  1. [1]
    Investigation of thermal and viscoelastic propertiesof polymers relevant to hot melt extrusion – III:Polymethacrylates and polymethacrylic acid basedpolymers. Tapan Parikh, Simerdeep Singh Gupta, AnuprabhaMeena, Abu T.M. Serajuddin
  2. [2]
    Eudragit and its Pharmaceutical Significance, SatishSingh Kadian, S.L. Harikumar
  3. [3]
    http://healthcare.evonik.com/sites/lists/nc/documentshc/evonik-eudragit_brochure.pdf
  4. [4]
    https://webbook.nist.gov/