Einleitung
Lysozym oder Muramidase ist der Name einer Gruppe von Enzymen, die Peptidoglykane hydrolysieren. Peptidoglykane sind Makromoleküle, die aus Zucker und Aminosäuren aufgebaut sind und eine Schutzschicht auf der Außenwand von Bakterienzellen bilden. Lysozym ist in der Natur weit verbreitet und kommt in Tieren, Pflanzen, Bakterien und auch in Bakteriophagen vor. Es ist Teil des angeborenen Immunsystems, das gegen bakterielle Infektionen wirkt. Es tritt in Körpersekreten wie Speichel und Tränen, in Geweben und auch in Organen auf. Aufgrund seiner antibakteriellen und antimykotischen Wirkung hat Lysozym ein großes Potenzial für klinische Anwendungen sowie für Futter- und Lebensmittel [2]. Es wird auch häufig als Modellmolekül zur Untersuchung der Struktur, Stabilität und Funktion von Proteinen in verschiedenen Forschungsbereichen eingesetzt [3].
Lysozym ist ein kleines, kugelförmiges Protein mit einer in den verschiedenen Lebewesen, in denen es vorkommt, ähnlichen chemischen Struktur (Abbildung 1). Die unterschiedlichen Arten von Lysozym werden in drei große Hauptfamilien unterteilt: c-Typ (chicken-Typ), g-Typ (goose-Typ) und i-Typ (invertebrate-Typ). Die Lysozyme von Mensch und Huhn werden dem c-Typ zugeordnet und sind in ihrer Aminosäuresequenz zu fast 60 % identisch. Während das Hühnerlysozym aus 129 Aminosäuren (14,3 kDa) besteht, ist menschliches Lysozym aus 130 (14.7 kDa) aufgebaut. Hühnereiweiß ist die wichtigste kommerzielle Quelle für Lysozym [2,3]. Das so genannte Hühnereiweiß-Lysoym (HEWL) ist in einem großen pH-Bereich (6-9) aktiv und hat eine Schmelz-/ Übergangstemperatur Tm von 72 °C bei pH 5.0 [4].
Die DSC wird häufig zur Untersuchung der thermischen Stabilität von Proteinen und Proteinformulierungen eingesetzt. Die Entfaltung eines Proteins ist ein endothermer Effekt, der aus der Exposition seiner hydrophoben Gruppen gegenüber dem wässrigen Medium resultiert. Daher wird bei Proteinen in Lösung häufig ein Wärmeabsorptionspeak in der DSC-Kurve beobachtet, dessen Maximum in der Literatur als Schmelz-/Übergangstemperatur (Tm) bezeichnet wird. Die thermische Denaturierung (Entfaltung der dreidimensionalen Struktur des Proteins) kann je nach Proteineigenschaften und Medienbedingungen reversibel oder irreversibel sein (Abbildung 2) [5]. Medienbedingungen, die die Reversibilität der Denaturierung beeinflussen, sind z. B. Proteinkonzentration, pH-Wert, Ionenstärke und Temperatur. Es ist daher zu erwarten, dass Veränderungen der Proteinstruktur oder des Formulierungsmediums die Thermostabilität von Proteinen beeinflussen können, was sich in der gemessenen Tm widerspiegelt.
Die DSC misst direkt die mit dem Entfaltungsprozess verbundene Wärmeaufnahme. Sie ist eine zuverlässige Methode zur Bestimmung der thermodynamischen Eigenschaften eines nativen Proteins, zur Charakterisierung strukturell veränderter Proteine oder um Informationen über die Thermische StabilitätEin Material ist thermisch stabil, wenn es sich unter Temperatureinfluss nicht zersetzt. Eine Möglichkeit, die thermische Stabilität einer Substanz zu bestimmen ist die Verwendung eines TGA (thermogravimetrischer Analysator).thermische Stabilität von Proteinformulierungen für den therapeutischen Einsatz zu gewinnen.
Probenvorbereitungsmethode
Lysozym1 wurde in destilliertem und filtriertem2 Wasser mit Konzentrationen von 300 mg/ml, 200 mg/ml, 24 mg/ml und 5 mg/ml gelöst. Von jeder Konzentration wurden 20 μl in Concavus®-Tiegel3 pipettiert. Die Tiegel wurden sofort hermetisch verschlossen. Für die Lösung mit 24 mg/ml wurde zudem ein Volumen von 5 μl analysiert. Von jeder Probe wurden mindesten drei Messungen durchgeführt. Der Referenztiegel war jeweils mit dem gleichen Volumen destilliertem und filtriertem Wasses gefüllt. Die Messungen wurden in inerter Atmosphäre (dynamisches N2, 40 ml/min) mit einer Heizrate von 10 K/min durchgeführt.
1 Hühnereiweiß-Lysozym, ≥ 45 000 FIP U/mg, lyophilisiert, 14 kDa, Carl Roth GmbH + Co KG
2 Polyethesulfon - PES_Membranfilter, 450 μm
3 Concavus® 40 μl Aluminiumtiegel, NETZSCH-Gerätebau GmbH
Messergebnisse und Diskussion
Die DSC-Kurven von wässrigen Lysozymlösungen weisen den typischen einfachen endothermen Effekt im Bereich von 75 °C für alle gemessenen Konzentrationen auf. Abbildung 3 zeigt die typischen Kurven für Lösungen mit Konzentrationen von 300, 200 und 20 mg/ml. Die extrapolierte Onsettemperatur, die Peaktemperatur (Tm) und die Fläche unter der Kurve (Enthalpie) variieren mit der Konzentration. Je höher die Masse der Probe im Tiegel ist, desto breiter ist der endotherme Effekt und desto höher sind die extrapolierten Anfangs- und Peaktemperaturen sowie die Enthalpien. Die gewählten Konzentrationen sind repräsentativ für übliche therapeutische Proteinarzneimittel, die in der Regel hochkonzentriert sind, wobei die Protein- dosierung in mg/kg Körpergewicht angegeben wird. Abbildung 4 zeigt den Einfluss des Probenvolumens durch Darstellung der DSC-Kurven von Lösungen mit 20 mg/ml (5 μl) und 5 mg/ml (20 μl).
Die jeweiligen Probeneinwaagen betrugen 0,13 mg und 0,10 mg. Alle Messergebnisse sind in Tabelle 1 zusammengefasst.
Tabelle 1: Charakterisierung von Lysozym mittels DSC: Konzentration, Proteinmasse, Volumen der gemessenen Proben und die jeweilige Umwandlungstemperaturen (Peaks) und Enthalpien (Flächen)
Konzentration (mg/ml) | Probenvolumen (μl) | Konzentration (mM) | Proteinmasse (mg) | Fläche (J/g) | Peak (°C) |
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300 | 20 | 21,4 | 6,37 ± 0,34 | 7,41 ± 0,12 | 73,0 ± 0,2 |
200 | 20 | 14,3 | 4,26 ± 0,14 | 3,56 ± 0,14 | 76,2 ± 0,4 |
20 | 20 | 1,7 | 0,51 ± 0,0 | 0,69 ± 0,05 | 77,4 ± 0,5 |
20 | 5 | 1,7 | 0,10 ± 0,0 | 0,78 ± 0,11 | 76,6 ± 0,2 |
5 | 20 | 0,36 | 0,10 ± 0,0 | 0,33 ± 0,19 | 79,3 ± 0,5 |
Zusammenfassung
In dieser Studie wurde die DSC 300 Caliris® verwendet, um die Übergangstemperatur von Lysozym in einem weiten Konzentrationsbereich von 5 bis 300 mg/ml zu untersuchen. Der Konzentrationsbereich ist repräsentativ für kommerziell erhältliche Proteinformulierungen. Zwar wurden hochkonzentrierte Lösungen verwendet, aber die Messung von Volumina von nur 5 μl ermöglichen die Einsparung teurer Formulierungen bei gleichzeitig hoher Reproduzierbarkeit.
Die Empfindlichkeit des Sensors und die Möglichkeit, kleine Volumina im Bereich weniger Mikroliter zu verwenden, sowie einen automatischen Probenwechsler zu integrieren, machen die DSC in dem beschriebenen Konzentrationsbereich zu einer wertvollen Technik für die Analyse von Biomolekülen. Abhängig von der Heiz-/Kühlrate kann der Durchsatz bis zu 3 Proben pro Stunde betragen.